Siebentes Kapitel: Seine Sehnsucht nach der Einsamkeit. Ehrenbezeugungen.



Im Jahre 1843 hatte sich der Pfarrer von Savigneux, Abbé Raymond, den wir schon öfter erwähnt haben, angeboten, Vianneys Arbeiten zu teilen. Mit oberhirtlicher Erlaubnis entwickelte dieser nun auch zehn Jahre lang im Dienste der Pilger einen regen Eifer, während er zugleich den Pfarrer von Ars mit einer zarten und ehrfurchtsvollen Liebe umgab. Vianney erwiderte diese Zuneigung aufs Herzlichste und sagte zuweilen: „Ich weiß nicht, ob es daher kommt, dass ich Abbé Raymond so liebe; allein ich finde niemand, der so predigt wie er. Ich verdanke ihm viel; er hat mir viel Gutes erwiesen, sowohl durch Unterrichten meiner Pfarrkinder, als auch durch Züchtigung meiner Fehler.“

Der gute Pfarrer unternahm nichts von einiger Bedeutung ohne den Rat und die Zustimmung seines Mitarbeiters. Als er eines Tages eine nicht unbedeutende Summe ohne Vorwissen Raymonds ausgegeben hatte, machte er sich die bittersten Vorwürfe darüber.

Schon vorher, ehe Abbé Raymond seinen ständigen Aufenthalt in Ars genommen hatte, hatte ein anderer Priester, namens Tailhades, sich öfter auf Tage, Wochen und Monate als Gehilfe eingefunden; ihm verdanken wir viele Aussagen über Vianney, wie auch er es war, der zuerst die in der Providence wirkenden Frauen aufforderte, ein Tagebuch zu führen, worin sie Tag für Tag alles, was sich zutrug, verzeichnen sollten. Aus diesem Tagebuch hat denn auch der Verfasser der Lebensgeschichte des Pfarrers von Ars viel entnommen.

Tailhades war für den Pfarrer von Ars eine große Erleichterung, denn er unterstützte ihn nicht nur in der Seelsorge, sondern diente ihm auch als Sekretär zur Beantwortung der vielen in Ars eintreffenden Briefe. Nachdem Tailhades schon einige Zeit in Ars gewesen war, fragte ihn Bischof Devie eines Tages: „Sie sind nun schon länger in Ars und in der Lage, Herrn Vianney in der Nähe und mit Muße zu studieren – was denken Sie von ihm?“ „Monseigneur, ich halte ihn für einen Heiligen.“ – „Das ist auch meine Meinung,“ erwiderte der Bischof.

Die Dienste, welche Tailhades dem Pfarrer leistete, brachten diesen auf den Gedanken, um einen Hilfspriester nachzusuchen, was er später auch ins Werk setzte. Als Tailhades einen anderen Wirkungskreis erhielt, legte er dem von ihm so sehr verehrten Pfarrer noch eine Beichte ab. Wie groß war nun sein Erstaunen, als Vianney ihm zur Buße auferlegte, nicht das Mindeste weiter zu berichten, was er hier in Ars gesehen. Der Pönitent legte bescheidene Einsprache dagegen ein, worauf Vianney erwiderte: „Nun gut denn, sagen Sie über den Pfarrer von Ars, was Sie wollen. Es wird das wenig verschlagen; man wird nicht darauf achten; man kennt mich dort nicht. Nur nehme ich die Diözesen Belley und Lyon aus.“

Abbé Monin, der Verfasser von Vianneys Leben, suchte im Jahre 1858, ein Jahr vor dem Tode des Pfarrers von Ars, den Abbé Tailhades in Montpellier auf, um noch mehrere Einzelheiten über Vianney von diesem zu erfahren. Derselbe konnte seinem Wunsche durch zahlreiche niedergeschriebene Notizen willfahren, bemerkte aber: „Es ist gut, dass Sie zu mir gekommen sind, denn gemäß der mir auferlegten Buße hätte ich es in den Diözesen Belley und Lyon nicht tun dürfen.“

In seinen letzten Lebensjahren war der hochwürdigste Bischof Devie auf den Gedanken gekommen, in Ars eine Filiale der Diözesan-Missionare zu gründen. Diese hatten sich in Point-d’Ain zu einer Kongregation vereinigt. Da nun Bischof Devie einerseits dem Pfarrer von Ars Hilfe verschaffen wollte, und andererseits die Zukunft dieser Kongregation ihn sehr beschäftigte, so sah er in der Errichtung einer Filiale ein Mittel, wodurch er seinen doppelten Zweck erreichen konnte; denn abgesehen von der für Vianney daraus entspringenden Erleichterung, hätten die Missionare nirgends besser die Tugenden eines wahren Apostels lernen können als eben an dem Beispiel des demütigen, armen und abgetöteten Pfarrers von Ars. Der große Bischof starb indessen, bevor er seinen Plan ausführen konnte, betrauert von seiner ganzen Diözese.

Er hatte sich selbst seinen Nachfolger gewählt; dieser, Monseigneur Chalandon, nahm denn auch den bischöflichen Sitz ein und setzte alsbald den Plan seines verehrten Vorgängers ins Werk. Demgemäß wurde ein Mitglied dieser Kongregation, Abbé Toccanier, nach Ars berufen. Der Pfarrer von Ars empfing denselben mit seiner gewohnten Herzensgüte, indessen entging es dem Missionär nicht, dass irgendein Gedanke den Geist des Pfarrers beschäftigte. So war es auch; das Verlangen nach der Einsamkeit regte sich von Neuem in ihm, umso mehr, da er meinte, seine Stelle könne durch die Missionare mehr als ersetzt werden. Der Gedanke, sich nach La Trappe oder Carmel oder der Kartause zurückzuziehen, um dort sein armes Leben zu beweinen und zu versuchen, ob Gott ihm noch Barmherzigkeit angedeihen lassen wolle, war schon lange bei ihm zur fixen Idee geworden. Schon einmal im Laufe unserer Erzählung haben wir berichtet, wie er von Ars geflohen und sich ins elterliche Haus zurückgezogen hatte. Jetzt, da durch den vom Bischof gesandten Missionär Aushilfe in die Pfarrei gekommen war, wollte er sich der seelsorglichen Verantwortung um jeden Preis entziehen, um sich vor seinem Ende noch einmal recht sammeln zu können.

Nachdem Toccanier am 2. September installiert worden war, suchte Vianney die früheren Vorsteherinnen der Providence auf, die ihn jetzt bedienten, um diesen seinen Plan zur Flucht mitzuteilen und sie in das Geheimnis einzuweihen. Gegen Mittag sagte er zum Bruder Hieronymus, einem Mitglied aus dem Orden der Brüder der heiligen Familie, der in Ars eingeführt worden: „Bei Katharina liegen tausend Franken; diese Summe ergänzt das zur Gründung des Klosters bestimmte Kapital. Hole sie sogleich, damit du sie nicht vergisst, für den Fall, dass ich dich nicht mehr sehen sollte.“ Diese Worte waren dem Bruder auffallend, umso mehr, da er bereits von Katharina Lassagne den Auftrag erhalten hatte, für einen Koffer zu sorgen. Der gute Bruder beeilte sich daher sogleich, seine Oberen von seinen Befürchtungen in Kenntnis zu setzen.

Unterdessen wurden abends bei Katharina Lassagne die Vorbereitungen zur Reise getroffen; der Pfarrer war außer sich vor Freude, während die beiden Frauen weinend alles zurichteten. Später begegnete Katharina noch dem Bruder Hieronymus, dem sie so gerne ihren Kummer mitgeteilt hätte, allein das ihr auferlegte Schweigen schloss ihr den Mund. Doch sie wusste sich zu helfen und erreichte durch List, was sie anders nicht tun konnte. Nachdem sie ihm gesagt, dass sie sehr traurig und verstimmt sei, wandte sie ihm den Rücken und sprach, als ob sie betete: „O mein Gott, du wirst doch unseren Vater nicht gehen lassen!“ – „Was sagen Sie da?“ rief der Bruder. – „Nichts, ich sage nichts; ich spreche nicht mit Ihnen.“

Bruder Hieronymus hatte indessen alles begriffen. Sogleich teilte er dies seinem Oberen mit; beide gingen zu Toccanier, der es anfangs nicht glauben wollte, aber die eindringlichen Worte des Bruders Hieronymus veranlassten ihn dennoch zur Wachsamkeit. Es wurden nun um den Pfarrhof herum Wachen aufgestellt. Um Mitternacht sah man an den Fenstern des Pfarrhofes ein Licht; schnell wurden alle Ausgänge des Hauses besetzt, während ein Teil den Missionär holte. Man sah nun, wie der Pfarrer Hut und Brevier nahm, die Treppe hinunterging und sich nach dem kleinen Hause Katharinas wandte. Die anderen folgten ihm unbemerkt, und kaum war Vianney bei dem Hause Katharinas angekommen und hatte dieser gesagt: „Sind Sie bereit? Brechen wir schnell auf“, so stellten der Missionär, Bruder Hieronymus nebst dessen Oberem und Bruder Athanasius sich ihm entgegen. Betroffen und schmerzvoll sprach der Pfarrer zu Katharina: „Was haben Sie getan? Sie haben mich verraten.“ Bruder Athanasius erwiderte sodann: „Herr Pfarrer, wohin wollen Sie? Wenn Sie gehen, läuten wir die Sturmglocke.“ – „Tut es“, sagte Vianney im entschiedenen Ton, „tut es; aber lasst mich gehen.“

Toccanier folgte indessen dem Pfarrer, wobei er ihm fortwährend zuredete, doch wieder umzukehren. Da kein Zureden half, so sann der Missionär auf List. Zuerst beseitigte er die Laterne und benutzte die Dunkelheit, um ihm heimlich sein Brevier zu nehmen. Sodann machte der Missionär ihn aufmerksam, dass er sein Brevier nicht habe und also einen ganzen Tag zubringen müsse, ohne sein Brevier zu beten. Das half insofern, dass er umkehrte, um sein Brevier zu holen. Alsbald hörten sie Glockengeläute und je weiter sie ins Dorf kamen und der Kirche sich näherten, desto größer wurde die Volksmenge, die auf den Schall der Glocken herbeigeeilt war. Ruhig schritt der Pfarrer durch die Menge und begab sich in den Pfarrhof, um sein Brevier zu holen. Toccanier verließ ihn keinen Augenblick; scheinbar half er ihm in der Bibliothek nach dem Buche suchen, warf jedoch absichtlich alles untereinander. Da fiel plötzlich sein Blick auf das Porträt des Bischofs Devie, das an der Wand hing, und er sagte zum Pfarrer: „Finden Sie nicht, Herr Pfarrer, dass der Bischof Sie in diesem Augenblicke ganz finster ansieht? Erinnern Sie sich nicht, dass es sein steter Wunsch war, Sie sollten in Ars bleiben? Solange er lebte, achteten Sie seinen Willen; aber auch nach seinem Tode sollten Sie seinen Willen noch ehren und sich an das erinnern, was er Ihnen vor zehn Jahren gesagt hat.“

Diese Worte erschütterten Vianney, dennoch änderte er seinen Plan noch nicht. Beim Hinabsteigen der Treppe begegnete ihnen der Graf des Garets, der auch durch den Einfluss seiner alten Freundschaft den Pfarrer von seinem Vorhaben abbringen wollte. Diesem erwiderte er, er suche zu entfliehen, weil Gott ihm eine Ahnung seines nahen Todes gegeben habe.

Unterdessen waren alle Bewohner des Dorfes erschienen, die Männer waren mit Gewehren und Stöcken bewaffnet, weil sie nicht wussten, um was es sich handelte; die Frauen beteten laut in der Kirche.

An jedem Ausgang des Pfarrhofes fand er Leute, die sich mit Ungestüm weigerten, ihn durchzulassen, sodass er in seinem eigenen Hause ein Gefangener war. Endlich jedoch gelang es ihm, auf die Straße zu kommen. Da versuchte es Toccanier nochmals, ihn zu überreden; ohne lange zu überlegen, sprach er, was ihm eben einfiel. Er erinnerte ihn an mehrere Züge aus dem Leben der Heiligen, unter andern an den heiligen Philipp Neri, der einst sagte: „Wenn ich schon an der Himmelstüre stände und ein Sünder riefe mich um Hilfe an, so würde ich den Himmel verlassen, um ihn zu hören.“ – „Und Sie, Herr Pfarrer“, schloss der Missionär, „Sie wollten es wagen, die Beichten dieser so weit hergekommenen Personen abzuweisen? Werden Sie sich nicht dereinst wegen dieser Seelen vor Gott verantworten müssen?“

Der Kreis, der sich um den Pfarrer bildete, ward immer enger und enger, und Vianney wurde mehr in die Kirche getragen, als er hineinging. Dort angekommen, kniete er auf den Stufen des Chores nieder und weinte längere Zeit. Hierauf erhob er sich, begab sich in die Sakristei und von da in den Beichtstuhl. Während dieser Zeit waren der Generalvikar und mehrere Pfarrer eingetroffen, die nun alle in Vianney drangen, er solle bleiben – dessenungeachtet versprach er noch nichts.

An den drei folgenden Tagen hatte der Pfarrer solche Gnaden und Tröstungen, dass es schien, Gott wolle ihm das Opfer seines eigenen Willens vergelten. Die Vorsehung hielt ihn denn auch in Ars zurück, obwohl zu verschiedenen Malen Personen hinkamen, um ihn zu entführen. Besonders bei einer Gelegenheit, wo ein Eingreifen sehr schwierig war, war das Wirken Gottes augenfällig.

Am 26. Januar 1856 kam ein Neffe Vianneys von Dardilly mit der Bitte, seinem sterbenden Vater beizustehen. Vianney erzählte dies seinem Missionär, der so gleich erklärte, er werde den Pfarrer begleiten. Obwohl der Pfarrer sich dem widersetzte, so stiegen dennoch Toccanier und Bruder Hieronymus in den Wagen zu ihm und seinem Neffen. Dem Pfarrer wurde es übel im Wagen; er stieg aus und wollte den Weg zu Fuß fortsetzen; nachdem er aber eine Meile zurückgelegt hatte, musste er erklären, dass er nicht mehr imstande sei, weiterzugehen. Toccanier erbot sich, nach Dardilly zu gehen, was der Pfarrer dankend annahm, und ihn bat, seinem Bruder zu sagen, falls er ihm noch etwas hätte anvertrauen wollen, es seiner Schwester zu sagen.

Der Pfarrer kehrte um, und sehr bald waren alle Symptome seines Unwohlseins verschwunden. Obgleich nun von da an Vianney keinen Fluchtversuch mehr machte, indem er erkannt hatte, dass dies eine Versuchung sei, die er überwinden und sich in den Willen Gottes ergeben müsse, so blieb die Sehnsucht nach Einsamkeit und Ruhe stets rege in ihm, und es war ihm ein schwerer Gedanke, als Pfarrer vor Gottes Richterstuhl erscheinen zu müssen. Diese heiß ersehnte Ruhe hätte er aber nirgends gefunden; denn wohin er sich auch begeben hätte, allenthalben würde die Menge ihn aufgesucht haben.

Nicht leicht wird ein Mensch in unserem Zeitalter einen so allgemeinen und volkstümlichen Ruf genossen haben, als der Pfarrer von Ars. Wenn man nun die Veranlassung zu diesem Ansehen ins Auge fasst und bedenkt, dass diese nur in seiner großen Frömmigkeit und Tugend zu finden war, nicht in seiner großen Gelehrsamkeit und Wissenschaft, so möchte man staunen, dass das Volk heutzutage doch noch Sinn für das Höhere und Überirdische hat. Später werden viele wohl durch die Tatsache der Wunder angezogen worden sein; allein im Anfange war dies durchaus nicht der Fall, nur der Ruf der Heiligkeit zog die Menge an. So verschieden denn auch die ankommenden Pilger in Beziehung auf Stand, Bildung, bürgerliche Stellung und religiöse Ansichten waren, so machte der Pfarrer auf alle den gleichen Eindruck. Das menschliche Herz fühlt sich eben in unüberwindlicher Weise von allem, was gut und schön ist, angezogen, und die Güte und Milde des Pfarrers sprach alle an, wie verschieden auch ihre Gesinnungen gewesen sein mochten.

Einige Beispiele und Äußerungen bekannter Persönlichkeiten mögen hier als Beweis der allgemeinen Verehrung Platz finden.

Ein Missionär, der gerade von den Inseln des großen Weltmeeres zurückgekommen, besuchte Ars. Als man ihn nun fragte, ob er im Pfarrhause zu Ars auch Wissenschaft gefunden habe, erwiderte er: „Menschliche Wissenschaft zwar nicht, aber göttliche. Das Wunderbarste, was ich an dem Herrn Pfarrer gefunden, ist, dass er ein Kind ist, wie der Heiland sie liebte. Er ist eines der schönsten Beispiele christlicher Kindheit; eben deshalb ist Gott so mit ihm.“

Eines Tages brachte der Postbote einen Brief aus Italien, dessen Adresse italienisch und an einen Ordensmann in Lyon gerichtet war, als Ortsbestimmung stand unten „in Lyon bei Ars“. Das rührte nun nicht von einem Schreibfehler her, wie man anfänglich glaubte, sondern der Schreiber des Briefes kannte Ars, das durch seinen Pfarrer weltberühmt geworden, während Lyon ihm unbekannt war.

In Rom war er den meisten Kardinälen und Prälaten bekannt. Unter den Kirchenfürsten, die nach Ars kamen, nennen wir die Oberhirten von Aix, Orléans, Meaux, Autun und Valence. Seine Eminenz Kardinal de Bonald war zweimal in Ars, um sich Rat zu erholen; in dem kleinen ärmlichen Zimmer des Pfarrers hat er länger mit ihm unterhandelt.

Auch Monseigneur Dupanloup war mehrere Male in Ars und beichtete dort sogar. Derselbe hat seinen Freunden anvertraut, der Pfarrer von Ars habe ihm seine Scheu vor der großen Verantwortung des oberhirtlichen Amtes zu nehmen gesucht, indem er ihm gesagt: „Im Martyrologium stehen viele Bischöfe verzeichnet, aber kaum ein heiliger Pfarrer. Nun urteilen Sie, Monseigneur, ob Sie mehr Ursache haben zu zittern als ich.“

Bevor der neuerwählte Bischof von Valence den bischöflichen Stuhl bestieg, eilte er nach Ars und bat den Pfarrer um seinen Segen. Nach langem Sträuben willigte dieser ein; nicht sobald aber hatte er den verlangten Segen gespendet, als er vor dem Bischof auf die Knie fiel und sprach: „Monseigneur, wenden Sie diesen Segen auf mich zurück.“

Im Monat Mai 1845 erschien Lacordaire, der berühmte Kanzelredner, in einem bescheidenen Gefährte und in einen schwarzen Mantel gehüllt; dennoch erkannte ihn die Menge sogleich und alle riefen: „Der berühmte Prediger.“ Am andern Tage sah man Lacordaire, wie er sich unter das Volk mischte und in demütiger Stellung die Predigt Vianneys anhörte. Er war tief ergriffen von Vianneys Worten, die derselbe zu seinen Pfarrkindern sprach. Der Pfarrer von Ars wollte nun aber auch den berühmten Redner hören und seiner Gemeinde dieses Glück verschaffen. Lacordaire weigerte sich lange und meinte, er sei nicht nach Ars gekommen, um zu reden, sondern um zu hören. Nachdem er endlich eingewilligt und auf dem Punkte stand, seine Predigt zu beginnen, warf er sich angesichts der ganzen Gemeinde auf die Knie und erbat sich den Segen des Pfarrers.

Lacordaire war von der wunderbaren Heiligkeit des Pfarrers sehr erbaut, deshalb hielt er treulich Wort und fand sich mehrmals ein. Ohne seine Unterhaltung mit dem Pfarrer anderen mitzuteilen, sagte er nur, er habe von demselben sehr lichtvolle Einsichten und ganz bestimmte Anweisungen zur Erneuerung des Prediger-Ordens bekommen. Unter anderem habe Vianney ihm gesagt: „Die Wissenschaft höhlt das Leben aus; die Frömmigkeit aber erleuchtet es, erhebt es und füllt es aus.“

Wir könnten noch viele andere derartige interessante Besuche berichten, doch es würde uns zu weit führen. Nur noch mit kurzen Worten wollen wir schildern, welche ehrfurchtsvolle Liebe ihm jedes Mal, so oft er die Kirche verließ, bewiesen wurde. Die ganze Volksmenge kniete nieder, beugte ihr Haupt vor dem einfachen Landpfarrer und bat um seinen Segen. Dies war aber so ergreifend, dass der Anblick dieser Szene oft wunderbar auf solche Herzen wirkte, die bis dahin kalt geblieben waren.

Die Pilger wünschten alle ein Andenken von Ars mitzunehmen, entweder eine von ihm gesegnete Medaille oder ein mit seinem Namen versehenes Bildchen, einen Rosenkranz oder etwas dergleichen; daher kam es denn auch, dass er ungeachtet seiner großen Demut sich genötigt sah, täglich morgens nach seiner heiligen Messe diese Gegenstände zu segnen und den Anfangsbuchstaben seines Namens auf die Bildchen zu schreiben.

Anfangs zog Vianney, so oft er die Kirche verließ, sein Rochett aus und legte es auf die Kirchhofmauer, um es sogleich wieder zur Hand zu haben; allein diese Gewohnheit musste er bald ablegen, denn es wurden ganze Stücke herausgeschnitten, die als Andenken an ihn dienen sollten. Ebenso verfuhr man mit seinem Hute, ja sogar aus seinem Talar schnitt man Stücke. Einige Damen wagten es, sich ihm von rückwärts zu nahen, um ein wenig von seinem Haar abschneiden zu können. Bemerkte er es, dann drehte er sich um und sagte ruhig: „Lassen Sie mich doch in Ruhe.“ – Mehrmals sind die Möbel seines Zimmers alle verkauft worden und man tat alles Mögliche, um sich in den Besitz irgendeines Gegenstandes, den er benutzt hatte, zu setzen.

Viele wollten auch sein Porträt haben; jetzt findet man es überall, leider oft in den lächerlichsten Formen. Dies war dem guten Pfarrer sehr schwer zu ertragen und bot ihm eine fortwährende Gelegenheit zur Selbstüberwindung. Er, der sich so sehr nach Einsamkeit sehnte, war stets von einer zahlreichen Menge umgeben, die beständig ihn mit Ehrenbezeugungen aller Art umgab. O! wie litt seine Demut dabei!

Im Jahre 1852 verfertigte ein Künstler das beste Porträt von ihm, das bis jetzt erschienen war; es wurde lithographiert und zu dem Preis von 2–3 Franken verkauft. Gleichwohl fanden die billigen Porträts noch mehr Abgang; Vianney hörte davon und und bemerkte: „So zeigt man mir besser, wie viel ich wert bin. Als ich noch für zwei Sous zu haben war, fanden sich wohl noch Käufer; jetzt aber, wo man mich für drei Franken verkauft, will man mich nicht mehr. Des Öfteren kamen auch Photographen nach Ars, um seine Züge aufzunehmen, Vianney willigte jedoch niemals ein.

Auch ein Bildhauer kam nach Ars, der, um seiner Sache gewiss zu sein, sich mit einem Empfehlungsschreiben des Bischofs von Belley versehen hatte. Obwohl der Bischof ihn in diesem Briefe dringend bat, diesem Künstler doch willfährig zu sein, so blieb er dennoch unbeugsam. Nur unter einer Bedingung wollte er dem Wunsche des Bischofs entsprechen: wenn nämlich der Bischof ihn dann freigeben wolle. Doch daran war nicht zu denken.

Unser Künstler ließ sich indessen nicht einschüchtern. Er besuchte täglich die Katechesen Vianneys und stellte sich wie ein aufmerksamer Zuhörer unter die Menge, und während dieser Zeit modellierte er in seinem Hute. Nach zwei Tagen wollte der Künstler beichten, und man riet ihm, sich doch nicht zu verraten, denn sonst werde der Pfarrer ihm zur Buße auferlegen, sein Modell zu zerbrechen. Der Künstler folgte dem Rat nicht und sprach in seiner Beichte von einem Werke, das er noch herstellen möchte. Der Pfarrer erriet sogleich, was er meine, und gab ihm den Bescheid: „Das ist ganz unnötig, sowohl für Sie, als für den Bischof; nie gebe ich es zu.“

Tags darauf modellierte der Künstler dennoch, worauf ihm Vianney erklärte, er hätte gute Lust, ihn zu exkommunizieren, weil er ihn und andere so störe und zerstreue.

Noch müssen wir erwähnen, dass er von seinem Bischof zum Ehrendomherrn ernannt wurde und vom Kaiser auf Verwenden des Unterpräfekten von Ain, Graf Castellane, den Orden der Ehrenlegion erhielt. Hätte er gewusst, dass das ihm zugeschickte Etui das Kreuz der Ehrenlegion enthielte, so hätte er es vielleicht nie geöffnet; er hatte geglaubt, Reliquien darin zu finden. „Ach!“ seufzte er, „nichts als das!“ Dann reichte er es Toccanier mit den Worten: „Nehmen Sie es, mein Freund, der Kaiser hat sich nur geirrt.“

Die Einwohner von Dardilly kamen in den letzten Lebensjahren Vianneys nach Ars und drangen in ihn, er solle in seinem Testament die Anordnung treffen, dass er in Dardilly begraben werde, und er willfahrte ihren Bitten. Sobald dies aber in der Diözese ruchbar wurde, war alles bestürzt, und Monseigneur Chalandon sah sich genötigt einzuschreiten. Er stellte dem Pfarrer vor, dass er da ruhen müsse, wo er so lange gewirkt habe.

Aus Pietät gegen den Bischof änderte er sein Testament und bestimmte Ars als den Ort seines Begräbnisses; übrigens war es ihm einerlei, wo er begraben würde, und er sagte: „O, wenn meine Seele nur zu Gott kommt, so liegt wenig daran, wo mein Leichnam ruht.“

Aus Pietät gegen den Bischof änderte er sein Testament und bestimmte Ars als den Ort seines Begräbnisses; übrigens war es ihm einerlei, wo er begraben würde, und er sagte: „O, wenn meine Seele nur zu Gott kommt, so liegt wenig daran, wo mein Leichnam ruht.“

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