Achtes Kapitel: Vianney als Ratgeber, als Beichtvater, als Katechet, als Homilet



Man könnte auf den Pfarrer von Ars die Stelle des hl. Chrysostomus anwenden, wo derselbe in seiner bilderreichen Sprache uns den großen Weltapostel vorstellt, wie er das Schiff lenkt, die Schiffbrüchigen aus den Fluten zieht, die Schwindelnden und Strauchelnden stützt, die Matrosen anfeuert, die Anker lichtet, die Ruder führt, die Gestirne beobachtet, als Steuermann für die sichere Führung des Schiffes sorgt und alles tut, wodurch die Last der Andern erleichtert wird. Er war, um ein Bild des hl. Franz von Sales zu gebrauchen, wie ein öffentlicher Brunnen, aus dem alle schöpfen dürfen. Wer in einer schwierigen Lage Belehrung und Rat bedurfte, der kam nach Ars. Viele, die keine Möglichkeit sahen, die dichten Haufen, welche seinen Beichtstuhl umlagerten, zu durchbrechen, warteten eine günstige Gelegenheit ab, etwa wenn er an ihnen vorbeikam, um ihn dann anzusprechen. Verließ er mittags die Kirche, um nach Hause zu gehen, so folgte ihm eine große Schar und gab ihm, wie wir im vorigen Kapitel gesehen, Beweise von Verehrung, auf die er jedoch kaum zu achten schien, weil sie seiner Demut widerstrebten. Diesen Zeitpunkt wählten aber auch solche, die Belehrung und Rat bei ihm suchten. Diesen gegenüber bewies der Pfarrer die gewohnte Liebe und Milde und erfüllte deren Herzen mit dem ersehnten Trost.

Dabei darf man sich jedoch nicht vorstellen, dass man nur in wichtigen, ernsten Dingen seine Zuflucht zu ihm nahm; im Gegenteil, zuweilen wurden nichtssagende Fragen an ihn gerichtet, z.B.:

„Ich habe eine Verwandte, deren Leben in Gefahr ist – soll sie sich einer Operation unterwerfen?“;

„Darf ich auf die Rettung meines Kindes hoffen?“;

„Soll ich die Zahl meiner Arbeiter vermehren?“;

„Soll ich mit Dienstboten wechseln?“;

„Soll ich diese Maschinen kaufen?“;

„Für meine Tochter bietet sich eine Partie dar; darf ich meine Einwilligung dazu geben?“;

„Welche Meinung über Ludwig XVII. halten Sie für die richtige?“;

„Was urteilen Sie über diese oder jene Mode?“

Auf solche nichtssagenden Fragen antwortete er in sanfter Weise, zuweilen jedoch mit einem Anflug von Ironie.

– „Mein Vater,“ sprach eine Dame, „ich bin zweihundert Meilen weit hergekommen, um Sie zu sehen.“ – „Dazu so weit herzukommen lohnt sich der Mühe nicht.“

Hier folgen noch einige solcher Antworten:

– „Nur ein Wort, mein Vater.“– „Sie sagen ja deren zwanzig.“

– „Ist mein Mann im Fegefeuer?“ – „Ich war nie darin.“

– „Mein Vater, was ist mein Beruf?“ – „In den Himmel zu kommen.“

Eine sehr zudringliche Dame kam ihm immer wieder mit derselben Geschichte, da sagte er mit einem schelmischen Lächeln zu ihr: „Meine Tochter, zu welcher Zeit im Jahr sprechen Sie doch wohl am wenigsten?“ – „Das weiß ich nicht.“ – „Nun, im Monat Februar, der drei Tage weniger hat als die andern.“

Selten blieb er eine Antwort schuldig; er verstand es in hohem Grade, jede Frage zu beantworten und alle Leidenschaftlichkeit, Eigenliebe oder weltliche Rücksichten, die in der Seele des Fragenden waren, offen vor ihn hinzulegen.

Ein übrigens sehr braves Mädchen, das aber noch nicht frei von Eigenliebe und menschlichen Rücksichten war, fragte ihn eines Tages, ob sie bei den Frauen vom Heiligsten Herzen oder bei den Damen de la Nativité eintreten solle. „Die Letzteren kennen mich schon“, fügte sie bei, „darum ginge ich lieber zu ihnen.“ – „Nun,“ erwiderte er, „dann kennen diese nichts Besonderes.“

Das Mädchen war anfangs betroffen, erkannte jedoch bald, dass bei Entscheidung dieser Frage nicht die Eigenliebe, sondern die Ehre Gottes zu berücksichtigen sei.

Handelte es sich um das Heil der Seele, dann riet er gewöhnlich eine neuntägige Andacht zum hl. Geist oder zum Herzen Mariä an; handelte es sich um Gesundheit und Genesung, dann empfahl er die Fürbitte der hl. Philomena.

Wer immer mit einem wirklichen Bedürfnis nach Ars kam und aufrichtig Licht und Gnade wünschte, der erhielt auch, was er bedurfte. Hatte Vianney einmal in einer Angelegenheit entschieden, so musste man sich damit begnügen. Es gab indessen viele, die ihn immer und immer wieder drängten; diese erhielten dann entweder gar keine oder ungenügende Antworten von ihm.

Vianney fand und nahm überall Gelegenheit, einen guten Rat oder einen frommen Gedanken anzubringen, und sein herzliches Wort hatte stets die beste Wirkung. Ein Wort von ihm genügte, um der Seele ihre Pflicht vor Augen zu stellen, sie auf den rechten Weg zu bringen; er war eben ein Werkzeug der göttlichen Gnade, daraus allein erklärt sich der Einfluss, den er auf alle ausübte.

Daher kam es denn auch, dass er allen den richtigen Weg zeigte; wer immer seinen Worten folgte, der wurde bald gewahr, dass er dem Willen Gottes gemäß handelte.

Ein junges Mädchen hatte während einer schweren Krankheit das Gelübde ewiger Jungfräulichkeit gemacht. Später hielt man um ihre Hand an, und sie war nicht abgeneigt, einzuwilligen. Sie wäre nun gerne von ihrem Gelübde losgesprochen worden und bat den Pfarrer von Ars um Rat. Dieser zeigte ihr, dass es viel vollkommener sei, ihr Gelübde zu erfüllen. Nach einigem Zögern trat sie in den Ordensstand und hat treu ausgeharrt.

Eine andere kam zu Vianney und sagte zu ihm: „Hören Sie mich an, mein Vater, und raten Sie mir dann im Sinne des Heiligen Geistes; ich will tun, was Sie mir raten.“

Hierauf erzählte sie ihm, wie sie schon bei ihrer ersten Kommunion das brennende Verlangen empfunden habe, in einen Orden zu treten. Ihre Familie habe sie daran verhindert, darüber sei sie zuweilen erbittert gewesen, zuweilen aber sei ihr der Gedanke gekommen, alles sei nur Vorspiegelung des Teufels und der Einbildung gewesen.

Diesem Mädchen nun riet Vianney, für jetzt ruhig bei ihren Eltern zu bleiben. Sie werde noch Klosterfrau werden; aber sie dürfe es nicht gegen den Willen ihrer Eltern tun, deren Tod dies sein würde. „Sehen Sie,“ fügte er bei, „in jedem Hause ist so ein Kind, das mehr geliebt wird als die anderen. Dieses Lieblingskind in Ihrer Familie sind Sie. Sie müssen bei Ihren Eltern bleiben bis zu ihrem Tode. Von dem Tage an, wo Sie abreisen würden, ginge alles drunter und drüber.“

Das junge Mädchen folgte diesem Rate; sie ist die Stütze ihrer Eltern, der Engel der Familie gewesen. Später ist sie eine Braut des Himmels geworden und schreitet wacker voran auf dem Wege des Heils.

Ein Professor eines Knaben-Seminars schrieb nach Ars und erbat sich eine bestimmte Stunde am Pfingstfeste, als dem einzigen für ihn freien Tage, zur Besprechung mit Vianney in einer wichtigen Angelegenheit. Er erschien zur bestimmten Stunde und gelangte zur Unterredung mit ihm. Als er aus dem Zimmer trat, strahlte er voll Glückseligkeit und rief aus:

„Welch ein Mann! In zwei Worten hat er eine Frage entschieden, die bis dahin niemand entscheiden wollte. All meine Unsicherheit ist geschwunden.“

Jemand kam einst nach Ars, um seinen Rat in Betreff einer Erbfolge, die sehr verwickelt war, sich zu erholen. Vianney entschied sogleich; da er aber bemerkte, dass seine Entscheidung nicht befriedigte, so bat er um Erlaubnis, diesen Fall einer Versammlung von Geistlichen vorzulegen. Da waren denn viele anderer Meinung, und unser Pfarrer wandte sich nun, wie er gewöhnlich zu tun pflegte, an den Bischof, der in Übereinstimmung mit ihm entschied.

Der sichere Blick, mit dem Vianney seine Entscheidungen gab, lässt sich bei ihm nicht durch seine natürlichen Anlagen erklären; es war weder die Wirkung einer großen Urteilskraft noch das Ergebnis ernster, langer Studien, erworbener Kenntnisse – nichts von all dem –, sondern es war die Wirkung der göttlichen Gnade, die ihn erleuchtete, und sein von jeder Leidenschaft frei gewordener Geist verfinsterte dieses Licht der Gnade nicht.

Viele sehr wichtige Fragen, die ins öffentliche Leben eingriffen, wurden ihm zur Entscheidung vorgelegt. Von allen Seiten erbat man sich den Rat des Pfarrers von Ars, wenn es sich um Stiftungen, Kongregationen, Schriften, überhaupt um irgendein für das öffentliche Leben bestimmtes Werk handelte. Auf sein Wort hin errichtete man Schulen, Klöster, Waisenhäuser und andere wohltätige Anstalten. Sein klarer Blick durchschaute sofort alle Schwierigkeiten, die sich dem Unternehmen entgegenstellten, aber auch die Gründe, die dafür und dagegen sprachen. Für alle Einrichtungen, die auf einer reinen Absicht beruhten, zweckmäßig und heilsam waren, hatte er ein warmes Herz und wirkte nach Kräften mit.

In dieser Beziehung wäre hier Verschiedenes anzuführen, wir beschränken uns jedoch auf eine Kongregation, die Vianney ganz besonders liebte.

Am 1. November 1853 kam einer echt christlichen Person, als sie vor dem Allerheiligsten Sakrament kniete, der schöne Gedanke, einen Verein zugunsten der armen Seelen zu stiften. Sie zog in Betracht, dass in dieser Welt wohl für alle Bedürfnisse der streitenden Kirche durch Orden gesorgt sei, während für die leidende Kirche in dieser Weise noch nichts geschehen war. Es schien ihr, Gott habe sie dazu berufen, diese Lücke auszufüllen. Indessen entschlug sie sich anfangs dieses Gedankens, dennoch verfolgte er sie fortwährend bis zum Juli 1855.

Da hörte sie zufällig vom Pfarrer von Ars reden, von dem sie bis dahin noch nichts gehört hatte; sogleich entstand bei ihr der Wunsch, diesen Mann um Rat und Beistand zu bitten, und sie sehnte sich nach einer Gelegenheit, um nach Ars reisen zu können. Neun Tage später vertraute sie einer nach Ars reisenden Freundin diesen Plan an, und im August erteilte ihr der Pfarrer von Ars eine günstige Antwort.

Am 30. Oktober bat sie Vianney, er möge am Allerseelentag über ihr Vorhaben nachdenken. Er tat es; lange verblieb er in nachdenklicher und andächtiger Stellung, das Antlitz mit den Händen bedeckt, dann erhob er sich und sprach:

„Ja, es ist das ein Werk, das Gott schon lange wünscht.“

Am 11. November ließ er ihr schreiben: Der Gedanke, einen Orden für die armen Seelen zu stiften, komme gerade aus dem Herzen Gottes, und er segne dieses erhabene Werk.

Die Stifterin fand nun Widerspruch von Seiten ihrer Eltern; allein Vianney, der gewöhnlich die jungen Mädchen anhielt, sich dem Willen der Eltern zu unterwerfen, machte bei ihr eine Ausnahme und drang auf Ausführung des Vorhabens – mit dem Versprechen, dass er beten werde, damit der Kampf zwischen Natur und Gnade mit dem Sieg der Letzteren enden möge.

Auf den Rat Vianneys ging die Gründerin am 19. Januar 1856 nach Paris; dort fand sie Verlegenheiten aller Art, denn es fehlte ihr an allem. Als sie dem Pfarrer von Ars Mitteilungen darüber machte, sagte er lächelnd zu dem Missionar:

„Sie hat reiflich erwogen, bevor sie den Entschluss gefasst, sie hat gebetet, um Rat gefragt und die Prüfungen, welche kommen würden, im Voraus erwogen. Was sollte ihr nun noch fehlen? Ihr fehlten nur noch Kreuze, und die hat sie jetzt. Schreiben Sie ihr, diese Kreuze seien die Blüten, die ihre Früchte schon bringen werden.“

Ermutigt durch diese Worte, verdoppelte die junge Genossenschaft ihre Gebete. Am 1. Juli nahmen sie Besitz von dem Hause, das sie heute noch bewohnen. Seitdem besteht die Genossenschaft fort, und in dem Maße, als die Zahl der Ordensschwestern zunimmt, mehrt Gott auch die Mittel. Unter dem Namen Dames Auxiliatrices erfüllen sie vollständig den Zweck ihres Berufes: „Beten, leiden und arbeiten für die armen Seelen im Fegefeuer.“

Der Tod des Erzbischofs Sibour von Paris war ein harter Schlag für das Kloster, da derselbe ihr erster und eifrigster Beschützer war. Vianney ließ ihnen bei dieser Gelegenheit schreiben:

„Ein Haus, das sich auf dem Kreuze erhebt, hat keinen Sturm zu fürchten. Trübsale zeigen, wie weit ein Werk Gott angenehm ist. Ihre Leiden und Opfer haben ohne Zweifel den armen Seelen schon viel genützt.“

Auf die Frage, ob man fortfahren solle, ganz und gar auf die Vorsehung zu vertrauen und sich ausschließlich dem Dienste armer Kranker zu widmen, sprach er sich sehr entschieden aus:

„Ja, ja, das ist klar. Die Gedanken an Armut und Abtötung sind hier sehr gut. Indem man durch Werke der Barmherzigkeit an der Befreiung der armen Seelen arbeitet, wirkt man ganz im Geiste Jesu Christi; man erleichtert so zu gleicher Zeit alle seine leidenden Glieder – die auf Erden und die im Fegefeuer.“

Als er später hörte, die Genossenschaft befolge die Regel des hl. Ignatius, sagte er: „Die guten Schwestern – nun sind sie gerettet! Etwas Besseres hätten sie nicht wählen können.“

Selten stieg Vianney von den lichten Höhen des Überirdischen herab; nur von Zeit zu Zeit sprach er ein Urteil über irdische Dinge aus, woraus man abnehmen konnte, dass er den wunden Fleck der heutigen Weltlage wohl erkannte und die Schwäche der Guten und die Leichtfertigkeit der Schlechten sah. Seine Seele betrauerte dies tief.

Ebenso schmerzte ihn der italienisch-französische Krieg, den er noch erlebte, unendlich, und bei dem Te Deum nach den Schlachten von Magenta und Solferino vergoss er bittere Tränen. Er wusste nicht viel von Politik, aber er wusste, dass Frankreich sich mit einer Regierung verbunden hatte, welche die Kirche geplündert und beraubt hatte. Er wusste, dass zwei katholische Nationen sich feindlich gegenüberstanden. Als der Friede geschlossen war, teilte er zwar die allgemeine Freude, plötzlich aber rief er aus: „Oh, es ist noch nicht zu Ende!“

Wenn nun auch viele nach Ars kamen, um sich den Rat des Pfarrers zu erholen, so war dies dennoch nicht die Haupttriebfeder, wodurch die große Masse der Pilger angezogen wurde, sondern sein Ruf als Beichtvater war die Ursache, welche aus allen Ständen die Menschen dorthin trieb. Man kann sagen, dass Vianney sein Leben im Beichtstuhl verbrachte; dort war sein eigentlicher Beruf, dort wirkte er als ein Werkzeug der göttlichen Gnade, dort war das ihm zur Bebauung angewiesene Feld.

In einem früheren Kapitel haben wir auf die Aussage eines Augenzeugen hin beschrieben, wie ein Tag des Pfarrers von Ars verfloss; dieser Tag stand nicht vereinzelt da, sondern ihm glichen alle anderen. Von 1 Uhr in der Nacht im Beichtstuhl, um 7 Uhr die heilige Messe, dann wieder im Beichtstuhl, um 11 Uhr Religionsunterricht, hierauf kurze Erholung, Rückkehr zur Kirche und in den Beichtstuhl. So ging es mit seltenen Ausnahmen Jahr aus, Jahr ein. Die Menge stand in dichten Haufen in Erwartung, bis die Reihe an sie kam. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung waren stets mehrere Personen aufgestellt.

Dass er solchen, die er noch nie gesehen hatte, ihre geheimsten Gedanken offenbarte, ihre Neigung und ihren Beruf sogleich erkannte und ihnen genau den Weg angab, auf dem Gott sie haben wollte, lässt einen kaum daran zweifeln, dass er öfter unmittelbare Eingebungen des Himmels hatte – wie dies das Beispiel so vieler anderer Heiliger zeigt, z.B. eines hl. Dominikus, Franziskus von Assisi, Ignatius von Loyola, Philipp Neri und vieler anderer.

Die Bestätigung dieser Tatsache, den Seelenzustand der Menschen gleich richtig zu erkennen, finden wir in den Berichten mehrerer Personen, die so glücklich waren, in Berührung mit ihm zu kommen. Viele dergleichen Beispiele sind in dem ausführlichen Werk von Monin angegeben. Wir können sie nicht alle anführen, da es uns zu weit führen würde.

Wie wir schon angedeutet haben, hielt Vianney täglich Katechesen. Von diesen seinen Predigten und Unterweisungen handelt ein eigenes Schriftchen, das unter dem Titel „Der Geist des Pfarrers von Ars“ erschienen ist. Wir werden indes, um hier nicht schon Gesagtes zu wiederholen, uns kurz fassen und nur das anführen, wodurch sich seine Vorträge von anderen unterschieden.

Wie wir schon angedeutet haben, hielt Vianney täglich Katechesen. Von diesen seinen Predigten und Unterweisungen handelt ein eigenes Schriftchen, das unter dem Titel „Der Geist des Pfarrers von Ars“ erschienen ist. Wir werden indes, um hier nicht schon Gesagtes zu wiederholen, uns kurz fassen und nur das anführen, wodurch sich seine Vorträge von anderen unterschieden.

Als man ihn einst fragte: „Was für einen Lehrer haben Sie in der Theologie gehabt?“ erwiderte er: „Denselben Lehrer wie der hl. Paulus.“

In dieser kurzen Antwort lag eine tiefe Wahrheit. Wer seinen Katechesen beigewohnt hat, wird Zeugnis ablegen von der unwiderstehlichen Gewalt, welche seine Worte auf alle ausübten – gleichviel ob hoch oder niedrig, vornehm oder gering, groß oder klein – alle erkannten und erfassten seine tiefen, sinnigen Worte, die in erhabener Schönheit vorgetragen wurden, wenn auch vielleicht nicht immer alle Anforderungen der Sprache beobachtet waren. Der Geist, der ihn beseelte, teilte sich den Zuhörern mit, und zwar nicht allein durch seine Worte, sondern durch sein ganzes Wesen, durch ein wunderbares Etwas, das sich nicht definieren lässt.

Oft staunte man über seine eigentümliche und bestimmte Ausdrucksweise. So war es einem der Missionare auffallend, von ihm öfter die Worte zu hören: „Die Herzen der Heiligen seien flüssig.“ Indessen vermehrte sich sein Staunen noch, als er dieselben Worte in der Summa des hl. Thomas fand, welcher schreibt: „Das Herz der Heiligen ist also flüssig, weil, falls es hart und fest gefroren, dicht geronnen wäre, das Gut, das die Heiligen lieben, das höchste Gut, nicht hineindringen, nicht Platz darin greifen könnte.“

Wie kam es, dass der Pfarrer von Ars, den man wegen seiner Unwissenheit nicht ins Seminar hatte aufnehmen wollen, der nach seiner Priesterweihe kaum eine andere Beschäftigung gekannt hatte als das Gebet und den Beichtstuhl – wie kam es, dass er, der den hl. Thomas nie gelesen, dass er, der nie viel wissenschaftliche Studien getrieben hatte, denselben Ausdruck gebraucht wie der berühmte Kirchenlehrer? Ist das nicht ein augenscheinliches Wirken der Gnade?

Bewährt sich hier nicht das Wort des Heilandes: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.“ (Mt 11,25)

Hörte man ihn vom Himmel, von der heiligen Menschheit Jesu Christi, von seinem bitteren Leiden, von der Gegenwart des Gottmenschen auf unseren Altären, von der heiligen Jungfrau, vom Glück der Heiligen, von der Reinheit der Engel, von der Schönheit der Seele, von der Würde des Menschen – mit einem Wort, von allen Glaubenswahrheiten reden, dann fühlte man den göttlichen Stempel, der sich in seinen Worten, Gebärden und Blicken bekundete; seine Züge strahlten wie die eines Verklärten, sodass niemand kalt bleiben konnte.

Bevor er seine Katechesen begann, schweifte sein Blick über alle seine Zuhörer und blieb dann häufig auf einer Person haften, als wollte er bis zum tiefsten Herzensgrund derselben eindringen. Wie oft haben diese dann geglaubt, er spreche nur für sie! Wie oft haben sie in der Schilderung menschlicher Schwächen und Sünden sich selbst erkannt! Wie viele Ungläubige, Laue und Gleichgültige empfanden den Einfluss dieser brennenden Worte!

Wie einst zu Zeiten der Apostel die damals so tief gesunkene Welt die Lehre derselben mit Freuden aufnahm, so lauschte auch die verdorbene Welt unseres Zeitalters den flammenden Worten des demütigen Pfarrers. Nicht minder merkwürdig ist es, dass er – nur ein schlichtes, ungenaues Französisch sprechend, wie er es auf dem Lande gelernt hatte – doch von allen, selbst von Ausländern, verstanden wurde!

Als Vorbereitung kannte er keine andere als seine Verbindung mit Gott. Aus dem Beichtstuhl ging er ohne allen Aufenthalt zur Kanzel, und dennoch betrat er dieselbe mit einer Zuversicht, die erkennen ließ, dass er mit einem völligen Vergessen seines eigenen Ichs auf die Hilfe von oben rechnete. Er kümmerte sich nicht darum, was man von ihm sprechen oder denken möge. Und wen immer er auch im Kreise seiner Zuhörer bemerken mochte – Bischöfe und andere hochgestellte Persönlichkeiten –, so bewies er nicht die geringste Aufregung oder Verlegenheit, obwohl er im gewöhnlichen Leben so bescheiden und furchtsam war.

Einige Stellen aus seinen Reden wollen wir hier folgen lassen:

„Je mehr man die Menschen kennenlernt, desto weniger liebt man sie. Bei Gott ist es umgekehrt: Je mehr man ihn erkennt, desto mehr liebt man ihn.“

„Es gibt Menschen, die Gott nicht lieben, die nicht beten – und denen es doch gut geht. Das ist ein schlimmes Zeichen. Sie haben neben vielem Bösen einiges Gute getan; dafür belohnt sie Gott in diesem Leben.“

„Unsere Zunge sollte stets beten, unser Herz lieben, unsere Augen weinen.“

„Wir sind viel – und nichts ... Nichts ist größer als der Mensch, und nichts kleiner als er. Nichts größer, wenn man seine Seele, nichts kleiner, wenn man seinen Leib betrachtet.“

„In dieser Welt heißt es arbeiten, leiden und kämpfen. In der Ewigkeit werden wir zum Ausruhen Zeit haben.“

„In dieser Welt heißt es arbeiten, leiden und kämpfen. In der Ewigkeit werden wir zum Ausruhen Zeit haben.“

„Derjenige, welcher die Taufunschuld bewahrt hat, ist wie ein Kind, das seinem Vater nie ungehorsam gewesen ist.“

„Eine reine Seele ist wie eine schöne Perle. Solange diese noch in der Muschel auf dem Grunde des Meeres ruht, denkt niemand daran, sie zu bewundern. Zeigt man sie aber im Sonnenlicht, so glänzt sie und zieht alle Blicke auf sich. So ist es auch mit der reinen Seele, die den Augen der Welt verborgen ist; eines Tages wird sie im Sonnenglanze der Ewigkeit vor den Engeln glänzen.“

„Die Barmherzigkeit Gottes ist wie ein Strom, der seine Ufer überschreitet – sie hält die Herzen auf ihrem Wege auf.“

„Das Gebet ist wie ein balsamischer Tau. Um diesen aber zu verspüren, muss man mit reinem Herzen beten.“

„Je mehr man betet, desto mehr will man beten. Es ist damit wie mit einem Fisch, der anfangs an der Oberfläche des Wassers schwimmt, dann aber untertaucht und weiter und weiter schießt. Die Seele taucht unter, sucht den Abgrund und verliert sich in den Süßigkeiten der Unterhaltung mit Gott.“

„Ich finde nichts so Beklagenswertes wie die armen Weltmenschen. Sie tragen auf den Schultern einen Mantel, der mit Dornen ausgefüttert ist; sie können keine Bewegung machen, ohne sich unangenehm berührt zu finden. Die guten Christen dagegen tragen einen mit Pelz ausgefütterten Mantel.“

„Der Verleumder gleicht der Raupe, die hinter sich auf den Blumen ihre unreinen Spuren zurücklässt.“

Dies Wenige möge hier genügen. Wer mehr über die Katechesen lesen will, den verweisen wir auf das oben genannte Werkchen.

Jeden Sonntagabend, nach dem Ave-Maria-Läuten, bestieg Vianney die Kanzel, um über das Evangelium des Tages zu sprechen. Da war es denn ganz besonders, wo er in seiner ganzen Kraft als Missionar, der nach dem Heil der Seelen dürstet, auftrat, wo sein lebendiger Glaube, seine Liebe zu Gott und sein Seeleneifer sich in voller Blüte entfaltete und er auf seine Zuhörer einen überwältigenden Eindruck machte. Viele Bekehrungen begannen hier am Fuße der Kanzel, die dann im Beichtstuhl zur Vollendung kamen.

Jeden Sonntagabend, nach dem Ave-Maria-Läuten, bestieg Vianney die Kanzel, um über das Evangelium des Tages zu sprechen. Da war es denn ganz besonders, wo er in seiner ganzen Kraft als Missionar, der nach dem Heil der Seelen dürstet, auftrat, wo sein lebendiger Glaube, seine Liebe zu Gott und sein Seeleneifer sich in voller Blüte entfaltete und er auf seine Zuhörer einen überwältigenden Eindruck machte. Viele Bekehrungen begannen hier am Fuße der Kanzel, die dann im Beichtstuhl zur Vollendung kamen.

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