Sechstes Kapitel: Der Pfarrer von Ars und La Salette
Der Pfarrer von Ars gehörte zu den ersten, welche fest überzeugt waren, dass die heilige Jungfrau den Hirtenkindern in La Salette erschienen sei und sich davon große Hoffnungen für die Welt versprach. Den Beweis dafür gibt ein Brief Vianneys an den Bischof von Grenoble, in dem er erklärt, dass er ein großes Zutrauen zu unserer lieben Frau von La Salette gehabt und Medaillen mit der Abbildung der Erscheinung gesegnet und verteilt habe; dass er sogar etwas von dem Stein, auf welchem die heilige Jungfrau gesessen, bei sich trage.
Im Herbst 1850 kam Maximin, eines der Hirtenkinder von La Salette, nach Ars. Abbé Raymond, der damalige Hilfspriester des Pfarrers von Ars, wollte den Knaben prüfen, empfing ihn daher kalt und gemessen, stellte sich ungläubig und sagte zu ihm, andere habe er wohl täuschen können; allein der Pfarrer von Ars lasse sich nicht täuschen. Maximin aufs Äußerste gebracht, sagte mit Humor: „Gesetzt nun, ich wäre ein Lügner und hätte nichts gesehen?“ – Tags darauf hatte Maximin zwei Unterredungen mit Vianney, deren Ergebnis nicht bekannt ist. Nur so viel steht fest, dass der Knabe in Ars keinen guten Eindruck machte, wie dies auch bei Bischof Dupanloup, der ihn schon im Jahre 1849 in La Salette gesehen hatte, der Fall war.
Ferner ist es gewiss, dass Vianney nach dieser Unterredung keine Medaillen mehr benedizieren und verteilen wollte, folglich nicht mehr daran glaubte. Wer ihn darüber befragte, dem erwiderte er: „Wenn mir der Knabe die Wahrheit gesagt hat, so kann man nicht daran glauben.“
Die Ansicht Vianneys verbreitete sich rasch, zur größten Freude der Gegner von La Salette und zum Bedauern derer, die an die Erscheinung glaubten.
Seine Hilfspriester, die ihn über seine Ansicht sowie über den Inhalt seiner Unterredung mit Maximin befragten, erteilte er dieselbe Antwort. Ihren Einwurf, Abbé Raymond habe den Knaben durch seine Strenge erschreckt, so dass derselbe, um loszukommen, gesagt habe, er hätte nichts gesehen, wies er mit den Worten zurück: „Was Abbé Raymond getan, das weiß ich nicht; ich aber habe den Knaben nicht verwirrt.“ – „Übrigens“, setzte er am Schlusse hinzu, „ist keine Ursache zur Beunruhigung vorhanden; ist die Sache nicht wahr, so wird sie selbst fallen; ist sie ein Werk Gottes, so mögen die Menschen tun, was sie wollen, sie werden sie nimmer stören können.“
Auf die nochmalige Bemerkung, ob er den Maximin auch recht verstanden habe, erwiderte er: „O, ganz sicher! Ich weiß wohl, dass man hat behaupten wollen, ich sei taub.“ Das war denn auch in der Tat nicht der Fall, vielmehr hatte Vianney ein sehr feines Gehör. Die Annahme hingegen, dass der Knabe ihn nicht verstanden und aufs Geratewohl geantwortet hat, hätte mehr Wahrscheinlichkeit; denn Vianney sprach sehr leise, und leicht mag der an sein Patois (Dialekt) gewöhnte Knabe ihn nicht verstanden haben.
Auf die nochmalige Bemerkung, ob er den Maximin auch recht verstanden habe, erwiderte er: „O, ganz sicher! Ich weiß wohl, dass man hat behaupten wollen, ich sei taub.“ Das war denn auch in der Tat nicht der Fall, vielmehr hatte Vianney ein sehr feines Gehör. Die Annahme hingegen, dass der Knabe ihn nicht verstanden und aufs Geratewohl geantwortet hat, hätte mehr Wahrscheinlichkeit; denn Vianney sprach sehr leise, und leicht mag der an sein Patois (Dialekt) gewöhnte Knabe ihn nicht verstanden haben.
Wie gesagt, die ganze Angelegenheit war ihm ein neues, inneres Leiden; er konnte nicht mit sich ins Klare kommen und hatte schwere Kämpfe darüber zu bestehen. Diese neue Prüfung dauerte acht Jahre. Da plötzlich hörte man, das Zweifeln und Schwanken des Pfarrers habe aufgehört. Im Oktober 1858 schreibt Abbé Toccanier, sein Hilfspriester, an ein Mitglied des Gerichtshofes in Marseille:
„Seit meinem letzten Briefe habe ich von dem Herrn Pfarrer eine bestimmtere Erklärung über seine Rückkehr zum anfänglichen Glauben erhalten, den ihm der Widerruf Maximins genommen hatte. Ich gebe Ihnen hier die Einzelheiten, die Ihnen gewiss Freude machen werden. Der Herr Pfarrer hat mir gesagt, er habe zu Gott gebetet, ihn doch von diesem Zweifel, der in seinem Innern gegen seine Hochachtung vor der bischöflichen Autorität so mächtig ankämpfe, zu befreien. Er fügte bei: ‚Vierzehn Tage lang habe ich die größte Verwirrung erduldet, die nicht eher aufgehört hat, bis ich sagte: Credo! Ich wünschte sehr, Gelegenheit zu finden, meinen Glauben irgend einer Persönlichkeit aus der Diözese Grenoble kundtun zu können, und siehe da! Am anderen Tage begegnete ich in der Sakristei einem Priester, den ich nicht kannte und der mich fragte, ob man an La Salette glauben dürfe; ich antwortete: Ja, ich habe von Gott durch die Vermittlung der heiligen Maria, die ich angerufen unter dem Titel Unserer lieben Frau von La Salette, eine Gnade erfleht und habe sie erlangt.‘“
Trotz des Widerrufs von Maximin glaubte also der Pfarrer von Ars an La Salette. Wenn er bis jetzt schwankend sich geäußert hatte, so gab er von nun an entschieden seinen Glauben an die Erscheinung kund.
Mehrere andere Geistliche bestätigen noch das Zeugnis von Abbé Toccanier und fügen bei, dass der von Vianney in der Sakristei getroffene Priester, der ihn um Rat fragte und unserem Pfarrer als ein Beweis von Gebetserhörung galt, ein Professor des Seminars in Grenoble gewesen sei.