Johann Baptist Maria von Vianney, Pfarrer von Ars - erstes Buch
Fünftes Kapitel: Rückkehr Vianneys . Er nimmt beim Pfarrer von Ecully seine Studien wieder auf.
Wenn nun auch die Tage der Verbannung unserm Vianney angenehm dahin flossen, so vergaß er weder seinen Beruf, noch die glückliche, mit den Seinigen verlebte Zeit. Er sehnte sich zurück, und hoffte auf eine Aenderung der staatlichen Verhältnisse, die ihm gestatten würden in die Heimath zurückzukehren, um daselbst an der Seite seines Lehrers seine Studien fortsehen und sich auf seinen Beruf vorbereiten zu können. Nicht minder sehnte er sich zurück in den Schoß seiner Familie, denn er hing mit großer und wahrer Liebe an Eltern und Geschwisterten; man wird begreifen, was er litt, da er ferne von ihnen war, und überdieß ihnen weder Nach= richt von sich geben, noch solche von ihnen erhalten konnte. Seine arme Mutter litt geistig und körperlich darunter; sie war zum Pfarrer gegangen, um sich dort Trost zu holen; allein sie hatte keinen Trost bei ihm gefunden; derselbe war durch andere Angelegenheiten in Anspruch genommen und hatte ihr nur erwiedert: „Gehen Sie, Ihr Sohn wird einst Priester werden.“
Der Vater Vianney's hatte außer der Trauer um seinen Sohn auch alle Unannehmlichkeiten zu bestehen, die naturgemäß aus der Desertion seines Sohnes ihm erwuchsen. Wie hoch und teuer er auch behauptete, den Aufenthalt seines Sohnes nicht zu kennen, man wollte ihm nicht glauben und überschüttete ihn mit Drohungen und Grobheiten.
Mittlerweile mußte Frau Fayot auf Verordnung des Arztes ein bei Lyon gelegenes Bad besuchen. „Ich reise nun in deine Gegend,“ sagte sie zu Vianney, und werde dann die Deinigen besuchen.“ Dies führte sie auch aus, und so erhielt die Familie denn endlich einmal Nachricht von dem geliebten Sohne und Bruder.
Man denke sich die Freude der Familie, an der das ganze Dorf Teil nahm, da Alle ihn liebten und schätzten. Die arme Mutter Vianneys lebte wieder neu auf, und ihr Herz strömte über in Dank gegen Gott und gegen die gute Frau, die Mutterstelle bei ihrem Johannes vertreten. Der Vater indessen überließ sich nicht der Rührung; trotz der Liebe zu seinem Kinde, sagte er: „Wenn Johannes jetzt wohl ist, so muß er zu seinem Corps abgehen. Täglich bedroht mich der Verlust meines ganzen Vermögens; ich will nicht länger das Opfer dieser Auflehnung gegen die Geseze sein, die mir täglich neue Kosten und neue Herzensangst verursachen.“
Die gute Fayot ereiferte sich nicht wenig und erwie= derte dem Vater: „Niemals wird Ihr Sohn dorthin reisen, das sage ich Ihnen. Er ist mehr werth als all Ihr Hab und Gut, und sollten Sie seinen Aufenthalt angeben wollen, dann suche ich ihm ein anderes Unterkommen, und jeder Bewohner unseres Dorfes würde ein Gleiches tun.“
Mehr wurde zwischen beiden nicht über den Sohn gesprochen, umso mehr mit der Mutter, die alles, auch die geringste Kleinigkeit, mit dem größten Interesse anhörte. Die Liebe der beiden Frauen fand sogar Mittel und Wege, eine Korrespondenz zu ermöglichen.
So verstrichen wiederum einige Monate, und es kam die Zeit der Aushebung für 1810. Jetzt traf die Reihe den jüngsten Sohn der Familie. Zwar zog er eine hohe Nummer; allein, um die Behörde zu versöhnen, trat er als Freiwilliger auf. Er machte die verschiedenen Feldzüge in Deutschland mit und fand wahrscheinlich den Tod in einer der Schlachten des Jahres 1813. Seitdem hat die Familie nie wieder etwas von ihm gehört.
Endlich schlug für unseren Johannes die Stunde der Erlösung. Eigentümlicherweise bewarb sich derselbe Hauptmann, der früher so sehr gegen Vianney eingenommen gewesen war, nun eifrig darum, das Eintreten des jüngsten Bruders als Stellvertretung für Johannes anzuerkennen. Er setzte es durch, dass der Name des Flüchtlings aus der Liste der Geächteten gestrichen und unser Vianney dadurch frei wurde.
Die Nachricht von diesem Ereignis brachte in Les Noës eine ungeheure Aufregung hervor. Man freute sich wohl über die glückliche Änderung, allein in die Freude mischte sich der Schmerz, den allgemeinen Liebling jetzt zu verlieren. Die Liebe der Bewohner gab sich kund durch die rührende Fürsorge, mit der man an alle seine Bedürfnisse dachte; sogar der Schneider musste ihm einen Talar machen, denn man wollte ihn in geistlicher Kleidung sehen. So verließ er das ihm so lieb gewordene Dorf mit seinen guten Bewohnern und traf nach einer Trennung von vierzehn Monaten im elterlichen Hause ein. Wie groß war da die allgemeine Freude! Alles eilte herbei, um ihn zu sehen, auch der Pfarrer von Écully, der nie an der über Vianney sichtbar ruhenden Hand der Vorsehung gezweifelt hatte. Jetzt war er vollkommen beruhigt, weil er überzeugt war, einen Nachfolger im Amte zu haben, und so sprach er mit dem greisen Simeon: „Nun, Herr, lässt du deinen Diener in Frieden sterben.“
Johannes fand bei seinem früheren Lehrer wieder die kräftige und milde Leitung, unter der sich seine edlen Anlagen zur Himmelsblume entfalteten. Gehalten und getragen durch das Beispiel und die Ratschläge des frommen, erfahrenen Priesters, übte er sich in der Demut, Abtötung und Opferwilligkeit, die allen Menschen, vorzüglich jedoch dem Priester, unentbehrlich sind, wenn er seinen erhabenen Beruf erfassen und danach leben will. Und dies wollte unser Johannes, danach sehnte er sich; er wollte ein guter Arbeiter im Weinberge des Herrn werden.
Noch ein schweres Opfer verlangte Gott in dieser Zeit von seinem Diener: Er verlor seine innigst geliebte Mutter! Dieser Tod schlug seinem Herzen eine tiefe Wunde, aber er fand Trost in der Ergebung in den göttlichen Willen.