Johann Baptist Maria von Vianney, Pfarrer von Ars - drittes Buch. Vianneys heroisches Leben. Von der Gründung der Providence bis zu deren Auflösung. 1825-1847.



Sechtes Kapitel: Aufhebung der Providence.



Obwohl, wie wir bereits gesehen, schon mancherlei Prüfungen dem guten Pfarrer von Ars waren auferlegt worden, so war ihm noch eine Prüfung vorbehalten, die ihn schmerzlicher als alle anderen traf. Bis jetzt hatte man seinen Ruf, seinen Charakter angegriffen; er hatte innere Kämpfe zu bestehen, und war auch in ganz ungewöhnlicher Weise vom bösen Feinde verfolgt worden. Nun aber griff man sein liebstes Werk an, ein Werk, durch das er bisher soviel zur Ehre Gottes vollbracht und das so augenscheinlich unter dem besonderen Schuhe der göttlichen Vorsehung stand; es war dies seine Anstalt, das Haus der Providence, woselbst sechzig arme Mädchen Schuh, Obdach, Nahrung, Arbeit und Belehrung fanden, und durch das Schauspiel einer engelgleichen Tugend zum Guten hingerissen wurden. Jedermann musste anerkennen, dass, dem heutigen Sittenverderbniß gegenüber, dergleichen Anstalten von unberechenbarem Nutzen waren.

Statt die verdiente Anerkennung zu ernten, erfuhr die Anstalt nur Kritik und Tadel, und man fand allerlei daran auszusehen: das Unternehmen, so hieß es, sei zu seltsam, das Haus zu arm, seine ganze Organisation und seine Leitung zu ungewöhnlich. Diese Vorurteile, so ungerecht sie auch waren, fanden dennoch solche Verbreitung, dass sie den Untergang der Anstalt herbeiführen mussten. Nichts hätte tiefer und schmerzlicher Vianney berühren können, als die Zerstörung dieses Werkes, an dem er mit der ganzen Glut seines liebevollen Herzens hing, in dem sein Eifer stets neue Nahrung und er selbst Aufheiterung und Erholung nach den Beschwerden seines Berufes fand, und wo er bei allen großen und wichtigen Ereignissen beten ließ. Dem Gebete, das seine Töchter und Kinder für ihn verrichtet hatten, schrieb er die Bekehrung der Sünder zu, wozu er oft neuntägige Andachten hatte halten lassen.

Die der Anstalt gemachten Vorwürfe gingen in erster Linie von den Professoren der Universität aus und wurden von der Regierung unterstützt. Überall fanden diese Klagen ein Echo, sogar einige Bewohner von Ars ließen sich durch Stolz und Eitelkeit verleiten, die Anstalt in Misskredit zu bringen, hauptsächlich deswegen, weil sie Anstoß daran fanden, ihre Kinder in eine Schule zu schicken, die zunächst nur für Arme gestiftet war. Der Teufel war eifersüchtig auf das viele Gute, das dort ins Werk gesetzt wurde. Man vergaß, wie sehr diese armen verlassenen Kleinen der Gemeinde zur Last gefallen wären, wenn sie keine Zufluchtsstätte gefunden hätten!

Besonders galt die Erbitterung den größeren Mädchen, die, wie wir gesehen, nicht entlassen wurden, bis ihre Grundsätze gefestigt und sie im Stande waren, sich in der Welt nützlich zu machen. Obwohl die Mädchen tüchtig zur Arbeit angehalten wurden, und das Gebet nur eine Erholung für sie war, so hieß es dennoch: „Ist es nicht eine Schande, dass diese großen Mädchen, die sich so gut ihren Unterhalt durch Arbeit verdienen könnten, von Morgens bis Abends nichts tun, als nur Gebete ableiern!“

Unter den Zöglingen der Anstalt waren allerdings wohl einige, die schwach geblieben sind und in der Welt kein gutes Beispiel gaben; aber wo ist eine Erziehungs- oder Bildungsanstalt in der Welt zu finden, die sich rühmen könnte, nie ein missratenes Mitglied gehabt zu haben? Finden wir nicht in vielen Familien missratene Söhne und Töchter trotz aller von Seiten der Eltern aufgewandten Mühe?

Man warf der Anstalt ferner vor, der Unterricht sei mangelhaft; allein wenn derselbe sich auch allerdings nur auf die Elementargegenstände beschränkte, so war er doch dem Zwecke der Anstalt entsprechend; denn wozu brauchen Dienstboten, Köchinnen und Arbeiterinnen so umfassende Kenntnisse?

Diese Beurteilungen und laut gewordenen Klagen beunruhigten den Diener Gottes. So sehr er daher seine Anstalt liebte, ließ seine Demut ihn fürchten, dass er nicht im Stande sein werde, gedeihliche Resultate zu erzielen, wenn er die ursprüngliche Gestaltung beibehalte, und jedenfalls, meinte er, würde mit seinem Tode die Anstalt ihr Ende finden.

Er brachte deshalb, aus Liebe zu Gott, das große Opfer, seinen Plänen zu entsagen, und entschied sich in demütiger Selbstverleugnung, mit Genehmigung der bischöflichen Behörde, die Leitung der Anstalt den Schwestern des heiligen Joseph zu übertragen.

So wurde denn im Monat November 1847 zwischen dem Generalvikar der Diözese und der General-Oberin der Schwestern des heiligen Joseph ein Vertrag abgeschlossen, nach welchem Vianney dieser Genossenschaft sein Haus und seine Kapelle abtrat.

Dieses Opfer war unserm Pfarrer nicht leicht gewesen, mehrere seiner späteren Worte beweisen dies. So äußerte er einmal, als die Rede von der Providence war: „Möge uns der Herr nur freudigen Opfersinn geben. Er beweist seine Liebe nie anders als durch Leiden. Es scheint, dass er auf einem andern Wege nicht mit uns zum Ziele zu kommen wusste; nur dieser Weg führt zum Himmel. Alles ist gut, wenn wir nur unser Kreuz gut tragen.“

Gott belohnte indes das Opfer Vianneys in reichem Maße, indem er ihm den Gedanken eingab, Missionen zu gründen. Es scheint, Gott habe ihm ein großes Mittel zur Rettung von Seelen nehmen wollen, um das Heil einer größeren Seelenzahl in seine Hand zu legen. Auf große Opfer lässt Gott große Segnungen folgen.