Johann Baptist Maria von Vianney, Pfarrer von Ars - zweites Buch. Vianneys Leben als Pfarrer. Vom Beginn seines Pfarramtes bis zum Beginn der Pilgerfahrten nach ars. 1818-1825.
Drittes Kapitel: Abschaffung von Missbräuchen, namentlich von Tanz- und Wirtshausbesuchen. Heiligung des Sonntags
Unser guter Pfarrer stand nun bereits nicht mehr allein im Kampf gegen die Übelstände, die er zu beseitigen wünschte; er hatte eine kleine Armee hinter sich, auf die er stets zählen konnte, sobald es um die Förderung des Guten ging. So sehr Vianney auch nach der Beseitigung dieser Missbräuche strebte, war er dennoch darauf bedacht, niemals die Regeln der christlichen Klugheit aus den Augen zu verlieren. Er wusste, dass eine übertriebene Strenge die Gemüter nur aufbringen würde und er dadurch alles verlieren könnte. Auch in der Wahl der Mittel war er sehr vorsichtig; er passte sie dem seelischen Zustand jedes Einzelnen an.
Oben haben wir bereits darauf hingewiesen, dass die Gemeinde Ars sehr vergnügungssüchtig war und sich insbesondere an Sonn- und Feiertagen durch Tanz amüsierte. Es ist hier nicht der Ort und würde zu weit führen, eine Abhandlung über die Gefahren des Tanzes niederzuschreiben. Dieses Thema wurde bereits oft in Schriften und Predigten behandelt. Jeder eifrige Seelsorger und ebenso christliche Eltern kennen die Gefahren, die auf solchen öffentlichen Tanzplätzen für die Jugend lauern. Natürlich erkannte auch Vianney in diesen Vergnügungen ein Haupthindernis für sein Wirken.
Eines Tages hörte der Pfarrer von einem Musiker, der ins Dorf gekommen war, um zum Tanz einzuladen. Er ließ ihn zu sich rufen und sprach zu ihm: „Mein Freund, Ihr betreibt ein Geschäft, das Gott unmöglich segnen kann.“ – „Aber, Herr Pfarrer“, entgegnete der Musiker, „man muss doch leben.“ – „Ja, mein Freund, aber man muss auch sterben, und ich fürchte sehr, dass Ihr Euch bei Eurem Tod nicht wohl dabei fühlen werdet. Kommt, wir wollen einen Handel abschließen. Wie viel bekommt Ihr für den Tag?“ – „Zwanzig Franken.“ – „Gut, da habt Ihr vierzig, und dann seid Ihr zufrieden.“
Doch nun nahte das Fest des Kirchenpatrons – der gefährlichste Tag im Jahr, an dem Tanz, lärmende Freuden, Trinkgelage und Raufereien umso größere Dimensionen annahmen, als auch die Bewohner der benachbarten Dörfer daran teilnahmen. Diesen Feind wollte unser Pfarrer unbedingt bekämpfen. Sich seiner eigenen Schwäche bewusst, vertraute er auf Gott und erflehte durch Gebet und mehrtägiges strenges Fasten den Beistand des Himmels. Daran knüpfte er eine ruhige Belehrung: Ohne zu schimpfen oder zu toben, teilte er seiner Gemeinde einfach mit, was er über die Sache dachte. Er machte sie auf den Ernst des Lebens aufmerksam und zeigte ihnen, dass alle Zeit, die man auf verbotene Freuden verwende, mindestens eine verlorene und schlecht genutzte Zeit sei. Er erklärte ihnen, dass es Unverstand und Torheit sei, die Ewigkeit für einen momentanen Genuss aufs Spiel zu setzen.
Mit eindringlichen Worten zeigte er seinen Pfarrkindern den Gegensatz zwischen der Welt und den Lehren des Heilands, der gesagt hat: „Selig sind die Weinenden; selig die, welche leiden.“ Seine Worte mussten Eindruck machen, denn man sah ihm an, wie tief er davon durchdrungen war. Seine Tränen und der Ausdruck tiefen Schmerzes, der auf seinen Zügen lag, sprachen noch eindringlicher als seine Worte. Besonders aber wirkte er im Beichtstuhl. Mit großer Milde sprach er dort zu den jungen Mädchen, um ihnen etwas Höheres als diese rauschenden Vergnügungen nahezubringen, und auch zu den Müttern, um sich deren Unterstützung zu sichern. Seine Worte hatten jedoch vor allem deshalb so viel Gewicht, weil man wusste, dass sein ganzes Leben im Einklang mit seinen Lehren stand. „Unser Pfarrer“, so hieß es, „tut selbst alles, was er sagt. Er lebt, was er lehrt. Nie sieht man ihn an Vergnügungen teilnehmen. Sein einziges Vergnügen ist das Gebet. Er sucht nur unser Wohl.“
Mittlerweile war der Vorabend des Festes gekommen. Man ging zum Bürgermeister, um dessen Erlaubnis für den Tanz einzuholen. Dieser, ein frommer Mann, voller Achtung und Verehrung für seinen Pfarrer, teilte dessen Anliegen völlig. Daher verweigerte er die Erlaubnis und sprach zu den Gemeindemitgliedern: „Meine Freunde, ich habe unserem frommen Pfarrer mein Wort gegeben, mich gegen eine öffentliche Tanzveranstaltung auszusprechen, und ich werde mein Wort halten. Tut es mir gleich und folgt seinem weisen Rat. Ihr werdet es sicher nicht bereuen.“
Doch der würdige Mann redete vergeblich. Da er ihren Bitten nicht nachgab, wandten sie sich an den Unterpräfekten und kehrten triumphierend mit der erlangten Erlaubnis zurück. Der Bürgermeister konnte nichts dagegen tun, und so wurde am Festtag zum großen Leidwesen des Pfarrers der Tanz eröffnet.
Doch die Veranstalter sollten keinen vollständigen Triumph feiern. Sie hatten natürlich darauf gehofft, dass sich viele junge Mädchen einfinden würden – aber nicht eine Einzige erschien auf dem Tanzboden. Sie waren mit ihren Müttern in der Kirche geblieben. Dadurch verlor das Fest natürlich jeglichen Reiz. Als bei Einbruch der Nacht der Bürgermeister auf dem Festplatz erschien, um das Ende zu verkünden, gehorchten alle. Gleichzeitig riefen die Glocken zur Abendandacht, und im nächsten Augenblick war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Jeder spürte, dass dies eine Genugtuung für das betrübte Herz des Seelsorgers war. Dieser richtete einige Worte an die Gemeinde, die so ergreifend waren, dass alle in Tränen ausbrachen.
Gott unterstützte das Wirken seines Dieners; die jungen Leute, bestürzt durch die erlittene Niederlage, gingen in sich und, treu den Mahnungen ihrer Mütter, eilten sie ins Pfarrhaus, um sich in eine der neu errichteten Bruderschaften einschreiben zu lassen. Die Bewohner der Umgebung gaben sich noch viel Mühe, dem Festtag seinen frivolen Charakter zu erhalten; aber alle ihre Versuche prallten ab an dem festen Willen der Einwohner von Ars, die ihren guten Pfarrer nicht betrüben wollten und überdies ihn zu verlieren fürchteten, falls sie sich widersetzten. Der Festtag wurde jetzt in würdiger Weise gefeiert und durch den Empfang der heiligen Sakramente geheiligt.
Jetzt konnte der Pfarrer seine ganze Kraft auf einen Punkt wenden, der eine noch höhere Bedeutung hat, nämlich die Heiligung des Sonntags.
Diese wichtige Frage, die heutzutage nicht nur eine religiöse, sondern eine soziale Frage geworden ist, beschäftigte unseren Pfarrer fortwährend. Dieses von Gott selbst gegebene Gebot lag ihm unendlich am Herzen, und nicht leicht sprach er über irgendeinen Punkt so nachdrücklich wie über dieses Gebot. Er machte seiner Gemeinde klar, dass man sich durch Sonntagsarbeit geradezu dem Willen Gottes widersetzt und selbstverständlich Gottes Segen, an dem doch alles gelegen ist, verliert. Er sagte ihnen, dass Gott dem Menschen die Arbeit geboten habe, aber auch wolle, dass er ruhen solle. Der Sonntag sei der von Gott zur Ruhe bestimmte Tag, an dem Gott wolle, dass die Menschen für ihre unsterbliche Seele sorgen und Gott, den Herrn, verehren sollten; der Sonntag sei das Eigentum Gottes. Er, der Schöpfer aller Dinge, werde doch wohl das Recht haben, einen Tag für sich, zu seinem Dienst, zu verlangen. So und ähnlich sprach Vianney öfters und pflegte dann beizufügen: „Zwei Dinge kenne ich, die sicher zur Armut führen: Sonntagsarbeit und Diebstahl.“
Auch in diesem Punkt fand unser Pfarrer gelehrige Herzen. Unter solcher Leitung wurde Ars nach und nach eine Musterpfarrei, die von aller Welt bewundert wurde; nie sah man am Sonntag einen Arbeiter im Felde, selbst nicht in der Erntezeit, sondern im ganzen Dorf herrschte eine feierliche und wohltuende Gottesruhe.
„Misstraut nicht der göttlichen Vorsehung“, pflegte er zu sagen. „Sie hat eure Saat wachsen und reifen lassen, sie wird sie euch auch ernten lassen.“ Gestützt auf diesen Grundsatz, erteilte er denn auch nur im äußersten Notfall die Erlaubnis, am Sonntag die Ernte einzuführen. Seine Pfarrkinder unterwarfen sich vertrauensvoll ihrem geliebten Seelsorger, Gott aber segnete ihren Gehorsam, denn sie sahen täglich ihren Wohlstand zunehmen.
An die Frage über die Sonntagsfeier schließt sich naturgemäß die Frage über den Besuch der Wirtshäuser an. Das Wirtshaus ist, besonders auf dem Lande, ein Krebsschaden für die männliche Jugend und auch für die älteren Männer. Dort werden häufig alle guten Gesinnungen untergraben, dort lesen sie schlechte Blätter, dort erhitzen sie sich, werden zu Streitigkeiten veranlasst, die oft mit den Assisen und Gefängnissen endigen. Dort wird die Männerwelt der Kirche entfremdet, denn die Kirche wird leer in dem Maße, wie die Wirtshäuser sich füllen. Als Vianney nach Ars kam, fand er zwei solcher Wirtshäuser, die er mit klugem Eifer zu unterdrücken suchte, indem er auf der Kanzel und im Privatgespräch die schädlichen Wirkungen derselben klar machte. Eines dieser Häuser hörte mit einem Mal auf, und auch das andere konnte sich wegen Mangels an Zuspruch nicht lange mehr halten. An ihrer Stelle wurden dann ordentliche und gute Gasthäuser errichtet, in denen alles geregelt war. An Sonn- und Feiertagen waren sie geschlossen; sie gehörten eigentlich nur für Fremde, denn die Bewohner von Ars sah man zuletzt nie mehr dort.
So nahm Ars nach und nach eine ganz andere Physiognomie an; es bot ein Bild christlichen Lebens, wie man es leider nur selten findet. Hatte man an den Sonn- und Festtagen seine religiösen Pflichten erfüllt, so wurde der Abend im trauten Familienkreis verbracht, und in der Nacht genoss jeder eine friedliche Ruhe. So groß ist die Macht des Priesters, der im Namen und Geist Christi spricht.
Es sei uns gestattet, in kurzen Worten die Sonntagsfeier zu schildern, wie sie in Ars gehalten wurde. Die Kommunionen waren zahlreich, und die Kirche fast den ganzen Tag mit Betenden gefüllt. Der Vormittagsgottesdienst war so zahlreich besucht, dass man in der kleinen Kirche fast erstickte. Die Christenlehre wurde gewöhnlich um ein Uhr nachmittags gehalten, wobei der Zulauf fast so groß war wie in der heiligen Messe. Nachmittags nach der Vesper betete der Pfarrer den Rosenkranz vor, an dem alle teilnahmen.
Beim Schluss des Tages rief die Glocke die Gläubigen zum dritten Mal zur Kirche, und die Gemeinde erschien zum dritten Mal. Der Pfarrer verließ den Beichtstuhl und bestieg die Kanzel, um von dort aus vorzubeten. Daran reihte sich dann gewöhnlich eine jener ergreifenden Homilien, auf die wir später noch zurückkommen werden. Bei solchen beständigen Belehrungen musste so mancher Sünder erschüttert, der Tugendhafte gestärkt und gefestigt, der Stolze bescheidener, der Unglückliche ergebener, der Geängstigte ruhiger werden – die Bande aber, welche den Menschen mit Gott und untereinander verbinden, mussten notwendig inniger werden.
In unserer Zeit, nachdem das Dorf Ars durch den Ruf der Heiligkeit seines Pfarrers und den dadurch veranlassten Zulauf von Fremden ganz umgestaltet ist, mag es vielleicht schwer sein, sich von dem Wirken Vianneys einen richtigen Begriff zu machen; allein damals, vor mehr als dreißig Jahren, war Ars wirklich eine christliche Gemeinde. Dies bezeugen alle, die Gelegenheit hatten, mit der Gemeinde zu verkehren.