Zweites Kapitel: Erneuernde Umgestaltung der Pfarrei Ars. Vianney führt die ewige Anbetung ein. Übung der österen Kommunion. Öffentliches Abendgebet. Bruderschaften
Dem eifrigen Pfarrer lag es sehr am Herzen, seine Gemeinde zur Frömmigkeit heranzubilden. Um sein Ziel zu erreichen, benutzte er vorzüglich drei von der Kirche gutgeheißene und von den eifrigsten Seelsorgern erprobte Mittel.
Vor allem suchte er, die Andacht zum allerheiligsten Sakrament und die gläubige Verehrung desselben bei seinen Pfarrkindern zu erwecken. Dort sollten sie aus dem Born [Wasserquelle] der Gnade schöpfen und vom heiligsten Herzen Jesu selbst Heilung von ihren Gebrechen und die Gnade der Heiligung finden – so, wie es das Beispiel so vieler heiliger Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen lehrt, die, niedergeworfen zu den Stufen des Altars, das Leben der Seele wiedererlangt haben und der himmlischen Segnungen teilhaftig geworden sind. Dort, am Fuße des Tabernakels, sollten seine Pfarrkinder lernen, sich mit ihrem Schöpfer, mit ihrem Heiland und Erlöser zu unterhalten. Dort sollten sie lernen, sich in das allerheiligste Herz zu flüchten, ihm sich mit Leib und Seele zu opfern und so das Leben mit all seinen Armseligkeiten zu heiligen und selbst die geringsten Handlungen verdienstlich für den Himmel zu machen.
Vianney wünschte daher, die ewige Anbetung des allerheiligsten Sakraments in seiner Pfarrei einzuführen. Aber wie war das durchzuführen? Unser Pfarrer verzagte nicht. Selten nur kommt ein Gedanke, der einem gläubigen Gemüt entspringt, nicht zur Ausführung – und wie die Welt sprichwörtlich sagt: „Was der Mensch will, das kann er“, so geht es auch im geistlichen Leben.
Vorerst konnte der Pfarrer nur auf drei Mitglieder bauen – eine kleine Zahl, aber immerhin ein Anfang. Diese drei Persönlichkeiten waren zunächst Fräulein von Ars, von der wir im vorigen Kapitel ausführlich gesprochen haben. Dann lebte noch in Ars ein einfacher Landmann, ein guter Familienvater, der Vianney viel Trost bereitete und von dem er später oft unter Tränen der Rührung sprach. Dieser brave Mann ging nie an der Kirche vorbei, ohne einzutreten. Ging oder kam er vom Felde, ließ er seine Gerätschaften draußen stehen und weilte oft lange im Gebet. Unserem Pfarrer war aufgefallen, dass der gute Mann nie die Lippen bewegte. Daher fragte er ihn eines Tages:
„Guter Freund, was sagt Ihr zum lieben Gott, wenn Ihr so lange vor dem Altar kniet?“
„Ich sage ihm nichts“, war die Antwort, „ich sehe ihn an, und er sieht mich an!“
Gewiss – eine schöne und erhabene Antwort!
Neben Fräulein von Ars sah man täglich morgens in der heiligen Messe und abends vor dem Muttergottesaltar eine fromme Witwe, die in der Nähe der Kirche wohnte und zugleich den einfachen Haushalt des Pfarrers besorgte. Zur Vervollständigung dieser kleinen Gruppe führte die Vorsehung noch eine fromme Seele nach Ars, die in Lyon durch ihren Eifer bekannt war. Vielleicht hatte der Ruf des Pfarrers von Ars sie dazu bewogen, sich dort niederzulassen. Wie dem auch sei – Vianney dankte seinem Gott; denn durch diese Seele, deren ganzes Streben nur dahin ging, zu den Füßen Jesu zu weilen und ihre letzten Lebenstage dem Gebet und frommen Betrachtungen zu weihen, war nun das sehnlichste Verlangen des frommen Pfarrers erfüllt.
Fräulein Pignaut, so hieß die Dame, war wohlhabend. Da sie für sich selbst nur wenig benötigte, konnte sie über eine beträchtliche Summe verfügen, die sie dann durch die Hand des Pfarrers als Almosen verteilte. Von nun an fand man zu jeder Stunde des Tages zwei betende Seelen. Auch Fräulein von Ars, die Witwe und der fromme Landmann erschienen oft, auch wenn sie ihre Anbetung nicht so lange fortsetzen konnten wie Fräulein Pignaut, die für nichts zu sorgen hatte.
Der Tag begann für diese Seelen mit dem heiligen Messopfer und endete gewöhnlich mit dem Rosenkranz und dem gemeinsamen Abendgebet. Es konnte nicht ausbleiben, dass ein solches Beispiel einen guten Einfluss auf jene ausübte, die Zeugen davon waren. So hatte der gute Pfarrer den Trost, täglich eine größere oder kleinere Zahl seiner Schäflein in den Schafstall zurückkehren zu sehen.
Die Zahl der Mitglieder wuchs noch weiter, als sich auch Auswärtige anschlossen. Obwohl Vianney damals noch unbekannt war, zog er bereits jene Seelen an, die nach Gerechtigkeit dürsteten. Die Versammlung beim Abendgebet wurde immer zahlreicher, und mit der Zeit beteiligte sich die ganze Pfarrei daran, sodass schließlich ein Glockenzeichen dazu gegeben wurde.
Wie freute sich der gute Pfarrer, wenn er seine Gemeinde zur Kirche strömen sah! Er leitete diese Andacht stets selbst, da er seine Pfarrei nie verließ, es sei denn, er musste anderswo Aushilfe leisten.
Doch dieser Aufschwung war nicht allein durch die Macht des Beispiels bewirkt. Die Kanzelvorträge, Belehrungen und Ermahnungen des seeleneifrigen Pfarrers waren gewiss die Haupttriebfedern, durch die die Seelen angezogen wurden.
Ein weiterer Wunsch seines Herzens, an dessen Verwirklichung er fortwährend arbeitete, war, seine Pfarrkinder zur häufigeren Kommunion anzuleiten. Bis jetzt waren nur die hohen Festtage als Kommuniontage bestimmt, und es fanden sich nur Frauen und Mädchen ein – es sei denn, diese liebten die Belustigung des Tanzes zu sehr. Die Übung der häufigeren Kommunion kannte man zum größten Leidwesen unseres Pfarrers nicht.
„O“, rief er oft schmerzlich aus, „könnte ich doch einmal sehen, dass unser Herr und Gott hier mehr gekannt und geliebt würde! Wie glücklich wäre ich, wenn ich täglich seinen allerheiligsten Leib austeilen könnte!“
Nach und nach wurde auch dieser Wunsch ihm erfüllt, und wiederum waren es dieselben Personen, die ihm auch jetzt zur Seite standen und ihm die Erfüllung seines ersten Wunsches ermöglicht hatten.
Fräulein von Ars ging schon früher öfter zur heiligen Kommunion; jetzt erschien sie noch häufiger am Tisch des Herrn. Fräulein Pignaut kommunizierte fast täglich. Die fromme Witwe und mehrere andere fromme Seelen folgten diesem schönen Beispiel, sodass in Ars durch die häufigere Kommunion ein Same niedergelegt wurde, der später reiche Früchte tragen sollte.
Man sieht, Pfarrer Vianney bekannte sich nicht zur Lehre so vieler anderer seiner Zeit, die gegen die häufige Kommunion waren. Er gehörte zur Schule des heiligen Alphons von Liguori, des heiligen Franz von Sales und des heiligen Vinzenz von Paul, die alle den häufigen Empfang der heiligen Kommunion empfahlen.
Vianney erinnerte sich an die ersten Christen, von denen es heißt: „Täglich verharrten sie im Tempel und im Brotbrechen“, das heißt, in der Teilnahme an der heiligen Kommunion. Es war ihm zudem wohl bekannt, dass das Konzil von Trient den Wunsch aussprach, die Gläubigen mögen in der heiligen Messe kommunizieren – und zwar nicht nur geistig, sondern durch den tatsächlichen Empfang des heiligen Sakraments.
Daher sprach er zu seinen Pfarrkindern:
„Treten wir, meine Brüder, mit Liebe und Vertrauen zu Jesus heran. Tretet hin, um von ihm zu leben, damit ihr auch für ihn lebt. Sagt nicht, ihr hättet zu viel zu tun. Der göttliche Erlöser selbst ruft euch: Kommt zu mir, die ihr arbeiten müsst, ermüdet und erschöpft seid – kommt zu mir, ich will euch erquicken. Könnt ihr dieser Einladung widerstehen?“
„Sagt nicht, ihr seid nicht würdig – es ist wahr, ihr seid nicht würdig, aber ihr bedürft seiner. Hätte der liebe Heiland an unsere Würdigkeit gedacht, hätte er dieses erhabene Sakrament niemals eingesetzt, denn niemand auf Erden ist dessen würdig. Aber er hat an unser Bedürfnis gedacht, und wir brauchen ihn.“
„Sagt nicht, ihr seid Sünder und wagt es deshalb nicht. Der Kranke bedarf doch des Arztes …“
„Meine Freunde, alle lebenden Wesen brauchen Nahrung – dazu hat der liebe Gott Bäume und Pflanzen wachsen lassen. Aber auch die Seele braucht Nahrung, und die Nahrung der Seele ist Gott selbst! Die Seele kann sich nur von Gott nähren – nur Gott genügt ihr …“
So suchte Vianney, die Sehnsucht und Liebe zum allerheiligsten Sakrament in den Herzen seiner Pfarrkinder zu entzünden. Er sah in der Arbeit der Bauern kein Hindernis, sondern wollte, dass sie ihr Tun Gott aufopferten – darin fand er die beste Vorbereitung.
„Willst du stets Gott loben“, sagt der heilige Augustinus, „so tue das, was du tust, gut – dann lobst du Gott.“
Ein drittes Mittel sah Vianney schließlich in der Errichtung einiger Bruderschaften. Besonders am Herzen lagen ihm die Bruderschaft des Rosenkranzes und die des allerheiligsten Sakraments. Die erste sollte vor allem Frauen und Jungfrauen ansprechen, die zweite Männer und Jünglinge und sie um den Altar versammeln.
Obwohl die allabendliche Rosenkranzandacht gewöhnlich zahlreich besucht war, bemerkte er immer noch wenige junge Leute – und gerade nach diesen verlangte es ihn.
Als sich eines Abends mehrere junge Mädchen um seinen Beichtstuhl versammelt hatten, sprach er bei sich selbst: „Diesmal halte ich sie fest – meine Rosenkranzbruderschaft ist fertig.“
Dann ging er zu ihnen und sagte: „Meine Kinder, wenn es euch recht ist, beten wir gemeinsam den Rosenkranz, um von der glorreichen Himmelskönigin die Gnade zu erlangen, das gut zu tun, was ihr tun wollt.“
Daraufhin begann er vorzubeten, und die anderen antworteten.
Von diesem Tag an datiert die Bekehrung vieler. Eine von ihnen, die sonst bei Vergnügungen immer die Erste gewesen war, gestand selbst, dass sie ganz verwirrt und gerührt gewesen sei, als der Pfarrer den Rosenkranz vorgeschlagen habe.
Fest steht: Sie wurde in der Folgezeit ein Vorbild für ihre Altersgenossen.
Hier begann die erste „Eroberung“ unseres Pfarrers, und von da an datiert sich eine spürbare Veränderung in der Pfarrei.
Zwar geschah dies nicht über Nacht – denn alles Gute braucht seine Zeit – doch unser Pfarrer ermüdete nicht. Durch Geduld und Langmut gelang es ihm schließlich, die jungen Frauen vom Tanzboden fernzuhalten.
Er lud sie an den Sonntagen in seinen Garten ein – wobei er selbst jedoch nie zugegen war.
Aus derselben Zeit stammt auch die Bruderschaft des Allerheiligsten Sakraments. Eine Anzahl Männer folgte dem an sie ergangenen Aufruf und schloss sich an. „Die Männer“, sagte der gute Pfarrer, „haben ebenso eine Seele zu retten wie die Frauen. Sie sind überall die Ersten. Warum sollten sie nicht auch die Ersten sein, Gott zu dienen und dem lieben Heiland im Sakrament der Liebe die schuldige Verehrung zu erweisen?“
Schon jetzt begann der Ruf des bescheidenen Pfarrers über die Grenzen seiner Pfarrei hinauszudringen – ein Beweis dafür, was ein Priester vermag, der Jesus wahrhaft liebt. Gott hatte seinem treuen Diener eine neue Freude zugedacht: Im Frühling 1819 wurde er mit dem ausgezeichneten Bruder des Fräuleins von Ars bekannt, der zu Besuch nach Ars kam. Der Vicomte von Ars lebte in Paris in einem Kreis von herausragenden Persönlichkeiten des geistlichen und weltlichen Standes, die alle durch ihre Frömmigkeit glänzten. In Ars angekommen, galt sein erster Besuch dem Pfarrer, der einen tiefen Eindruck auf ihn machte. Er glaubte, einen Heiligen vor sich zu sehen, und nutzte deshalb die Zeit seines Aufenthalts für viele Gespräche mit ihm.
So konnte es nicht ausbleiben, dass diese beiden gleichgesinnten Seelen sich gut verstanden, sich sehr nahe kamen und die glücklichsten Stunden miteinander verbrachten. War Vianney ein Priester nach dem Herzen Gottes, so war der Vicomte einer jener Männer, die immer seltener werden und fast nur noch in der Vergangenheit zu finden sind. In Paris war er morgens in der Kirche, wo er den Priestern ministrierte, und abends war er bei den Armen, denen er nicht nur Geld, sondern auch Trost und Belehrung spendete. Er besuchte die armseligen Hütten, in denen die Armen von Paris ihr elendes Leben fristeten. Damals gab es noch keine Vinzenzvereine, und der edle Vicomte stand mit seinem Einsatz für die Bedürftigen weitgehend allein da. Auch in Ars besuchte er jede Hütte und jedes Haus. Für alle hatte er freundliche Worte, und wo es nötig war, begleiteten milde Gaben seine Worte.
Das Urteil des Pfarrers über den Vicomte lautete: „O, wie freue ich mich, seine Bekanntschaft gemacht zu haben! Wie weise er ist! Wie sehr liebt er den lieben Gott! Wie weit stehe ich doch hinter ihm zurück!“
Der Vicomte hingegen äußerte sich über den Pfarrer folgendermaßen: „Welch einen Schatz besitzen wir in diesem demütigen Pfarrer! Er ist nicht gelehrt, aber er ist besser, als wenn er es wäre. Ich beneide das Los meiner Schwester. Sie ist wahrhaftig sehr glücklich, im Schatten solcher Tugenden leben zu können. Das Dorf Ars genießt ein großes Privilegium. Ich wüsste nichts, das ich nicht dafür geben würde, diesem heiligen Mann angenehm zu sein und seiner Fürbitte sicher zu sein – gerne opferte ich die Hälfte meiner Güter.“
In der Folge werden wir sehen, dass dies nicht nur leere Worte waren, sondern dass es ihm voller Ernst war.
Beim Abschied bat er um den Segen des Pfarrers und um die Erlaubnis, ihn an seinen Gebeten und guten Werken teilhaben zu lassen.