Fünftes Hauptstück. - Es wird drei Personen geoffenbart, wie die heil. Filomena die Märtyrerkrone erlangt habe.


1. Die Offenbarung, die einem jungen Handwerker geschah.

Ein junger Handwerker, der sich durch Reinheit des Herzens und gründliche Frömmigkeit auszeichnete, hatte eine wunderbare Offenbarung folgenden Inhaltes.

Kaiser Diokletian wünschte, dass die Jungfrau Filomena seine Gemahlin werden sollte. Er verurteilte sie zu verschiedenen Martern, und wähnte, dadurch werde er den Heldenmut dieser Christin brechen, und sie vermögen, dass sie seine Gemahlin werden wolle. Als er aber sah, seine Hoffnung werde nicht erfüllt, und nichts sei vermögend, die Heilige in ihrem Entschlusse wankend zu machen, verfiel er in eine Art Raserei; und in der Wut, die ihn befiel, beklagte er sich bitterlich, dass er die Filomena nicht zur Gemahlin erhalten könne. Der junge Handwerker, dem dies ist geoffenbart worden, sah die vielfältigen Martern, die der Kaiser der Jungfrau antun ließ; es sind dieselben, die am Grabsteine der Filomena wirklich angedeutet find; der junge Handwerker hatte aber von diesem Grabsteine durchaus keine Kenntnis. Endlich ließ der Kaiser die Jungfrau, deren Standhaftigkeit unbesieglich war, enthaupten. Kaum war dies geschehen, so geriet er in Verzweiflung, und man hörte ihn ausrufen: »Nun ist es um mich geschehen! Filomena wird nie meine Gemahlin sein; sie hat sich bis zum letzten Lebenshauche meinem Wunsche widersetzt; nun ist sie tot; wie kann ich sie überleben? « – Bei diesen Worten riss er sich wie ein Rasender den Bart aus, verfiel in schreckliche Zuckungen, stürzte sich von seinem Thron herab auf den Boden, fasste mit seinen Zähnen, was er erwischte, und rief, er wolle nicht mehr Kaiser sein. Dies ist die Offenbarung, welche dem jungen Handwerker in unsern Tagen zuteil geworden ist.

2. Auch ein eifriger Priester, ein inniger Verehrer der heiligen Filomena, erhält eine Offenbarung von ihrem Märtyrertode.

Ein frommer Priester, ein inniger Verehrer der heiligen Filomena, machte eines Tages einen Spaziergang über Felder, als er plötzlich eine ihm unbekannte weibliche Gestalt auf ihn zukommen sah. Sie redete ihn an, und sprach: »Ist es wahr, dass du ein Bildnis der heiligen Filomena in deiner Kirche aufgestellt hast? « Er antwortete ihr: »Ja, dem ist es so. « – Sie aber fragte: » Aber was weißt du denn von dieser Heiligen? « – Er gab ihr zur Antwort: » Sehr wenig. Wir haben bisher von ihrem Leben noch nichts erfahren, als das, was wir aus der Inschrift und aus den Sinnbildern auf ihrem Grabsteine entnehmen können. « – Und er begann, ihr dies zu erzählen. Sie ließ ihn ausreden; dann aber nahm sie wieder das Wort und sprach mit großer Lebhaftigkeit zu ihm: »Du weißt also sonst nichts von ihr? « – Und er antwortete, sonst wisse er von ihr nichts. Da sprach sie: » Und doch ließe sich noch sehr vieles über diese Heilige sagen. Wenn es einst die Welt erfährt, so wird sie sich kaum vom Staunen erholen können. Weißt du nicht wenigstens ihre Verfolgung und Marter? « – Er verneinte es, und sie sprach: » Nun wohlan, ich will es dir sagen. Es geschah, weil sie die Hand Diokletians ausgeschlagen, der sie zu einer Gemahlin erwählt hatte; der Beweggrund aber, warum sie seinem Antrage widerstand, war das Gelübde ewiger Jungfrauschaft, zu dem sie sich aus Liebe Jesu Christi verbunden hatte.«

Diese Worte erfüllten den Priester mit großer Freude, wie einen, dem man eine Nachricht über eine Sache bringt, die er schon lange zu erfahren wünschte. Er fragte sie, ob die Sache auch wahr sei, und ob sie Gewissheit von der Sache habe; er fügte bei: » Wo hast denn du dies gelesen? Seit mehreren Jahren forschen wir nach Urkunden, die uns über diese Heilige Aufschluss geben könnten; aber alle unsere Nachforschungen waren bis jetzt vergeblich. Aus welchem Buche hast du das, was du mir da sagt? « – Sie erwiderte ihm im ernsten Tone: »Aus welchem Buche? Wie kann man mich so fragen, mich? als ob mir die Sache unbekannt sein könnte! Sei versichert, ich täusche dich nicht. Ich bin der Sache gewiss. Du kannst mir glauben; ich weiß die Sache ganz sicher; glaube mir nur! « – Bei diesen Worten verschwand sie wie Blitz aus seinen Augen.

Die, welche da dem Priester erschienen war, ist unverkennbar die heilige Filomena selbst. Sie gab in dieser Offenbarung die Zeit ihres Märtyrertums insbesondere wieder bestimmt genug an, da sie sagte, der Kaiser Diokletian habe sie zur Gemahlin haben wollen. Damals war der Kaiser entweder schon Wittwer, oder er war nahe daran, es zu werden. Seine Gemahlin, die heilige Serena, die das Christentum angenommen, ließ er töten.

3. Die umständlichste Offenbarung wird einer Klosterfrau zu Neapel zuteil.

Schon seit längerer Zeit gab die heilige Filomena einer Klosterfrau zu Neapel sichere Beweise eines besonderen Beistandes. Durch ihre Fürbitte befreite sie dieselbe von allerlei Versuchungen, durch welche Gott diese seine Dienerin läuterte, und erlangte ihr den süßen Herzensfrieden und die Freude des Geistes. In den vertraulichen Gesprächen, die Filomena und diese Klosterfrau zu den Füßen des Gekreuzigten mit einander führten, gab die Heilige dieser sehr weise Lehren und Ermahnungen, die entweder ihr eigenes Seelenheil oder die Leitung der ihr anvertrauten Klostergemeinde betrafen. Am öftesten aber waren der Gegenstand ihres Gespräches der Wert der Jungfräulichkeit und die Mittel, deren sich die heilige Filomena bedient hatte, um dieselbe in Mitte der Gefahren unversehrt zu er halten. Auch sprachen sie über die großen Gnaden und Früchte, die Gott durch Kreuz und Leiden spendet.

Da sich aber die Klosterfrau für unwürdig hielt, mit Filomena so vertraulich umzugehen, fürchtete sie, es möchte eine Täuschung sein. Sie nahm ihre Zuflucht zum Gebete, und überließ sich der Leitung ihres Gewissensführers. Dieser aber prüfte diese Sache mit möglichster Genauigkeit. Die Klosterfrau hatte in ihrer Zelle (ihrem Zimmer) eine kleine Statue der heiligen Filomena; diese Statue oder Bildsäule war eine treue Abbildung des heiligen Leibes der Filomena, wie man ihn zu Mugnano sieht. Mehr als einmal bemerkte die ganze Klostergemeinde mit Erstaunen Veränderungen in den Gesichtszügen dieser Statue, welche etwas ganz Außerordentliches an sich zu haben schienen. Dies bewog die Klosterfrauen, die Statue mit möglichster Feierlichkeit in der Kirche öffentlich zur Verehrung auszustellen.

Diese Feierlichkeit fand wirklich statt; und seit dieser Zeit blieb diese wunderbare Statue immer auf dem Altare. Jene Klosterfrau aber ging an den Kommuniontagen gewöhnlich zu diesem Altare hin, um vor der Statue ihre Kommunion-Andacht zu verrichten. Eines Tages regte sich in ihrem Herzen der lebhafteste Wunsch, bestimmt die Zeit zu wissen, in welcher Filomena den Märtyrertod gelitten; zu diesem Wunsche trieb der Gedanke sie an, man würde, wenn man diese Zeit wüsste, die Heilige noch mehr verehren.

Plötzlich schlossen sich die Augen der Klosterfrau; und aller Anstrengung ungeachtet konnte sie dieselben nicht öffnen. Da hörte sie eine überaus liebliche Stimme, die von der Stelle, wo die Statue stand, herzukommen schien, und zu ihr sagte: » Meine geliebteste (beliebteste) Schwester, der zehnte August ist der Tag, an dem ich dies irdische Leben beschloss, und in den Himmel einzog, wo mich mein himmlischer Bräutigam in den Besitz der ewigen Güter einsetzte, deren Genüsse kein menschlicher Verstand zu erfassen vermag. Daher hat es auch seine wunderbare Weisheit so gefügt, dass die Übertragung meines Leibes nach Mugnano, ungeachtet des festgesetzten Planes des Priesters, der meine sterbliche Hülle erhalten hatte, nicht den fünften des Monats (August), wie er es wünschte, sondern erst den zehnten geschah, und dass ich nicht in aller Stille in seine Hauskapelle, wie er es ebenfalls wünschte, sondern unter allgemeinem Jubel und Freudengeschrei auf eine ganz außerordentliche Weise in die Kirche gebracht wurde, wo man mich jetzt verehrt; so dass der Tag meines Märtyrertodes für mich auch ein Triumphtag geworden ist.«

Diese Worte erregten in der Klosterfrau die Besorgnis, es könnte alles nur eine Täuschung sein. Sie betete noch inständiger, und bat ihren Gewissensführer, er wolle ihr verhilflich (behilflich) sein, aufs Wahre zu kommen. Man schrieb an den Priester Francesko selbst unverzüglich, und ersuchte ihn, der den heiligen Leib der Filomena erhalten hatte, er möchte über diese, der Klosterfrau gewordene Offenbarung tiefes Stillschweigen beobachten; zugleich bat man ihn, er wolle Auskunft geben, ob die Umstände in dieser Offenbarung, was seinen Plan betrifft, den er gehabt habe, wahr seien. Er antwortete, diese Umstände seien wirklich wahr. Seine Antwort war daher der Klosterfrau und ihrem Gewissensführer zu großem Troste.

Man befahl nun der Klosterfrau, sie solle die Heilige inständig bitten, sie durch noch umständlichere Mittheilungen über ihr Leben und über ihren Märtyrertod zu erfreuen. Die Klosterfrau gehorchte diesem Befehle. Als sie eines Tages sich in ihrer Zelle im Gebete befand, um von Filomena solche Mittheilungen zu erflehen, schlossen sich ihre Augen, so sehr sie sich auch dagegen bemühte, abermals, und sie vernahm die gewohnte Stimme, die zu ihr sprach: »Meine liebe Schwester, ich bin die Tochter eines Fürsten, der einen kleinen Staat in Griechenland regierte; und auch meine Mutter war von königlichem Geblüte. Da sie aber keine Kinder hatten, und noch Heiden waren, so brachten sie ohne Unterlass ihren falschen Gottheiten Opfer dar, um ein Kind zu bekommen.

Ein Arzt aus Rom, mit Namen Publius, der sich nun im Himmel befindet, stand im Dienste meines Vaters, und wohnte in unserm Palaste; er war ein Christ. Da er die Betrübnis meiner Eltern sah, und mit ihrer Geistesblindheit Mitleid trug, wagte er’s, angeregt vom heiligen Geiste, mit ihnen von unserm (christlichen) Glauben zu reden. Er versprach ihnen, dass, wofern (vorausgesetzt) sie sich taufen ließen, sie eine Nachkommenschaft erhalten würden.

Die Gnade, die seine Worte begleitete, erleuchtete ihren Verstand, und siegte über ihren Willen. Sie nahmen den christlichen Glauben an, und erhielten den Gegenstand ihrer Wünsche, den ihnen Publius als Belohnung für den Empfang der Taufe versprochen. Bei meiner Geburt gab man mir den Namen Lumena, der das Licht des Glaubens bedeutet, dessen Frucht ich war; und an dem Tage, als ich getauft wurde, nannte man mich Filomena, weil ich an diesem Tage ein Kind des Glaubens ward. Die zärtliche Liebe, die mein Vater und meine Mutter zu mir trugen, war so groß, dass sie mich beständig um sich haben wollten. Dies war auch die Ursache, warum sie mich mit sich nach Rom nahmen, als mein Vater eine Reise dahin machen musste, da ihn der tyrannische Kaiser Diokletian mit einem ungerechten Kriege bedrohte. Ich war damals erst dreizehn Jahre alt.

Angelangt in der Hauptstadt der Welt, begaben wir alle drei uns in den kaiserlichen Palast, wo wir zur Audienz (zur Anhörung) vorgelassen wurden. Kaum wurde Diokletian meiner ansichtig, so heftete er seine Blicke fest auf mich; und er schien die ganze Zeit hindurch, während mein Vater mit ihm sprach, und ihm die Gründe seiner Rechtfertigung mit Wärme ans Herz legte, von seiner Befangenheit nicht zurück zu kommen. Als mein Vater ausgeredet hatte, gab ihm der Kaiser zur Antwort, er solle sich nicht weiter beunruhigen, alle Besorgnis beseitigen, und nur auf sein Glück bedacht sein. Er fügte hinzu: »Ich gebe dir die ganze Macht meines Kaiserreiches zu deiner Verfügung und verlange nichts anderes, als die Hand deiner Tochter. «

Mein Vater, geblendet von der Ehre, die alle seine Erwartungen übertraf, nahm den Antrag des Kaisers mit Freude an. Als wir in unsere Wohnung zurückgekehrt waren, gaben sich mein Vater und meine Mutter alle erdenkliche Mühe, mich zu bewegen, dass ich dem Wunsche Diokletians und ihrem Wunsche willfahren (gefallen, nachkommen) möchte. Ich sagte zu ihnen: » Wie, wollet ihr denn, dass ich, um einem Menschen zu gefallen, mein Gelübde breche, das ich schon vor zwei Jahren Jesu Christo gemacht habe? Meine Jungfrauschaft bleibt Ihm geweiht; ich kann über mich nicht mehr verfügen. « – Der Vater erwiderte mir: » Aber ein solches Gelübde zu machen, warst du damals noch zu jung. «

Er befahl mir, das Anerbieten Diokletians anzunehmen; und fügte die fürchterlichsten Drohungen bei. Aber die Gnade Gottes machte mich unüberwindlich. Mein Vater trug meine Einwendungen dem Diokletian vor; und da ihn dieser von seinem gegebenen Worte nicht losbinden wollte, sah er sich genötigt, mich ihm selbst vorzuführen. Aber einige Augenblicke früher musste ich noch einen Sturm von Unwillen und von der Zärtlichkeit des Vaters bestehen; auch meine Mutter stimmte ihm bei, und wandte alles an, um mich in meiner Gesinnung wanken zu machen; Liebkosungen und Drohungen wurden angewendet, um mich umzustimmen; endlich fielen mir beide zu Füßen, beschworen mich mit Tränen in den Augen, und baten mich, dass ich mich ihrer erbarmen möchte.

» Mein Kind, riefen sie, habe Mitleid mit deinem Vater und deiner Mutter, erbarme dich deines Vaterlandes und unserer Untertanen; « – ich antwortete: »Ich kann nicht; meine Jungfrauschaft, die ich Gott angelobt habe, geht euch, geht meinem Vaterlande, geht allem andern vor; mein Reich ist der Himmel. « – Diese meine Worte stürzten sie in Verzweiflung. Sie führten mich dem Kaiser vor; dieser wandte sogleich alles, was nur immer in seiner Gewalt stand, an, um mich zu gewinnen. Aber alle seine Versprechungen, alle seine Schmeicheleien und Drohungen waren vergeblich. Er geriet in heftigen Zorn, und vom Satan entflammt, ließ er mich in ein Gefängnis seines Palastes werfen; wo man mich in Ketten schlug.

In der Meinung, der Schmerz und die Schande werden meinen Mut brechen, den mir mein göttlicher Bräutigam einflößte, kam er täglich zu mir, um mich zu sehen. Er ließ mir dann die Ketten abnehmen, auf dass ich das wenige Brot und Wasser, das mir zur Nahrung gereicht wurde, zu mir nehmen konnte; darauf wiederholte er seine verführerischen Anreizungen, die ohne einen besonderen Beistand Gottes meiner jungfräulichen Reinigkeit (Reinheit) sehr gefährlich hätten sein können. Der Widerstand, den er bei diesen Gefährdungen meiner Unschuld fand, bereitete mir stets neue Qualen; aber das Gebet hielt mich aufrecht, und ich ließ nicht nach, mich jederzeit meinem Jesus - und seiner reinsten Mutter - anzuempfehlen. Am sieben und dreißigsten Tage meiner Gefangenschaft sah ich die seligste Jungfrau Maria, von himmlischem Glanze umflossen, und ihr göttliches Kindlein in den Armen haltend; und Sie sprach zu mir: » Noch drei Tage wirst du in diesem Gefängnisse schmachten, und nach dieser vierzigtägigen Haft wirst du diesen Ort der Pein verlassen. «

Über diese frohe Nachricht war mein Herz voll Freude. Als aber die Königin der Engel hinzufügte, dass ich deswegen aus dem Gefängnis soll entlassen werden, damit ich noch schwerere Martern leide, und einen noch fürchterlichen Kampf, als der vorige war, bestehe; so verwandelte sich meine Freude in große Angst, denn ich hatte mir Hoffnung gemacht, man werde mich sogleich töten.

Da sprach Maria zu mir: » Fasse Mut meine Tochter; du weißt ja, dass Ich eine ganz vorzügliche Liebe zu dir trage. Der Name, den du in der heiligen Taufe empfangen hast, ist ein Beweis, dass du eine Ähnlichkeit mit meinem Sohne und mit Mir hast. Dich nennt man Lumena (Licht) und auch dein Bräutigam wird Licht, Stern und Sonne genannt; und auch Mich nennt man Morgenröte, Stern, Mond, Sonne. Fürchte dich nicht; Ich werde dir beistehen. Jetzt übt die Natur ihre Rechte über dich aus, damit du in deiner Schwäche dich demütigest; dann aber, wenn es zum Kampfe kommt, wird die Gnade dir ihre Kraft geben, und dein Schutzengel, der auch der meinige war, der Engel Gabriel, dessen Name »Kraft« bedeutet, wird dir zu Hilfe kommen. Ich werde dich ganz besonders seiner Sorgfalt empfehlen, als meine viel geliebte Tochter, die ich vor allen anderen liebe. «

Diese Worte der Königin der Jungfrauen flößten mir Mut ein. Die Erscheinung verschwand, und hinterließ einen himmlischen Wohlgeruch, der mein ganzes Gefängnis erfüllte. Was mir angekündigt worden, ging alsbald in Erfüllung. Diokletian verzweifelte, mich zur Nachgiebigkeit zu vermögen, und fasste den Entschluss, mich öffentlich martern zu lassen. Er begann damit, dass er mich geißeln ließ. Er sagte: » Weil sie sich nicht schämt, mir, dem Kaiser, einen Missetäter vorzuziehen, der von seinem Volke zum schimpflichen Tode verurteilt worden ist; so verdient sie nach Gerechtigkeit so behandelt zu werden, wie Er behandelt wurde. « – Er befahl also, mich zu entblößen, und an eine Säule festzubinden; hierauf ließ er in Gegenwart einer großen Menge vornehmer Hofleute mich dermaßen geißeln, dass mein ganzer Leib vom Blute triefte, und nur Eine Wunde zu sein schien.

Als der Tyrann sah, dass ich in Ohnmacht fiel, und dem Tode bereits nahe war, befahl er, mich von seinen Augen zu entfernen, und mich neuerdings in den Kerker zu schleppen; er meinte, hier werde ich meinen Geist aufgeben. Er wurde jedoch in seiner Erwartung getäuscht; auch mich täuschte die süße Hoffnung, bald zu meinem geliebten Bräutigam zu kommen. Zwei von Licht schimmernde Engel erschienen mir, und gossen in meine Wunden Balsam; nun fühlte ich mich mehr gekräftigt, als ich vor der Marter gewesen war. Am folgenden Morgen in der Frühe gab man dem Kaiser hiervon Nachricht. Er ließ mich vor sich kommen; staunend betrachtete er mich, und er wollte mich überreden, dass ich meine Heilung dem (Abgott) Jupiter, dem er diente, zu verdanken habe. Er wollte mich mit Gewalt zur Kaiserin von Rom haben, machte mir eitle Versprechungen, mit denen er Schmeicheleien und Liebkosungen verband, und wollte das höllische Werk, das er sich vorgesetzt hatte, vollenden.

Aber der Heilige Geist, dem ich meine Standhaftigkeit verdanke, erleuchtete mich in so hohem Grade, dass weder Diokletian, noch irgendeiner seiner Hofleute gegen meine Beweise, die ich für die Wahrheit unsers Glaubens vorbrachte, etwas einwenden konnte.

Dies brachte ihn neuerdings in Wut, und er befahl, mich mit einem Anker, den man an meinen Hals band, in den Fluten der Tiber zu begraben. Der Befehl wurde vollzogen; aber Gott verhinderte dessen Folgen; denn in dem Augenblicke, als man mich in den Fluss stürzte, kamen mir abermals zwei Engel zu Hilfe, die das Seil, womit der Anker an meinem Halse hing, ablösten, so dass der Anker in der Tiber zu Boden sank, wo er sich jetzt noch befindet; mich aber trugen sie ganz sanft im Angesicht einer ungeheuren Volksmenge an das Ufer. Dieses Wunder brachte bei den Zuschauern glückliche Wirkungen hervor; denn viele derselben bekehrten sich zum Christentum. Diokletian aber, der dies einer unbekannten Zauberkraft zuschrieb, ließ mich hierauf durch die Gassen der Stadt Rom schleifen, und befahl, einen ganzen Hagel von Pfeilen auf mich abzuschießen: mein Leib war ganz durchbohrt, das Blut rieselte von allen Seiten herab; und erschöpft, wie ich war, und beinahe sterbend, wurde ich auf Befehl des Kaisers wieder in meinen Kerker zurückgebracht. Der Himmel aber begnadigte mich neuerdings auf wunderbare Weise: ich verfiel in einen süßen Schlaf, und beim Erwachen fand ich mich vollkommen geheilt.

Diokletian erfuhr es, geriet in Wut, und rief wie ein Rasender: » Wohlan, mit spitzigen Pfeilen durchbohre man sie abermals, auf dass sie an dieser Marter sterbe! « – Sein Befehl wurde sogleich vollzogen; die Bogenschützen spannten ihre Bogen, und strengten alle ihre Kräfte an; aber die Pfeile versagten ihnen den Gehorsam. Der Kaiser, selbst gegenwärtig, war ganz außer sich vor Wut, und nannte mich eine Zauberin. In der Meinung, die Wut des Feuers werde meiner Zauberkraft widerstehen, befahl er, die Pfeile in einem Ofen glühend zu machen, und sie dann neuerdings auf mich abzuschießen. Man tat es; aber die Pfeile, nachdem sie eine Strecke fortgeflogen waren, nahmen plötzlich eine entgegengesetzte Richtung, und fuhren auf diejenigen zurück, die sie abgeschossen hatten. Sechs dieser Bogenschützen starben auf der Stelle, mehrere andere von ihnen entsagten dem Heidentum, und das Volk bekannte öffentlich die Allmacht Gottes, der mich beschützt hatte.

Der Tyrann, durch das Murren und das Geschrei des Volkes erschreckt, beeilte sich, meinem Leben ein Ende zu machen, indem er mir das Haupt abschlagen ließ. Meine Seele flog empor in den Himmel zu ihrem göttlichen Bräutigam, um von Ihm die Krone der Jungfrauschaft und die Palme des Märtyrertums zu empfangen, und sich eines besonderen Vorzuges vor vielen Auserwählten in seiner Gegenwart zu erfreuen. Der für mich so freudenreiche Tag, an dem ich in die himmlische Herrlichkeit eintrat, war ein Freitag, und die Stunde meines Todes war die dritte Stunde nachmittags. «

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Die Offenbarung, welche Filomena der Klosterfrau gemacht hat, ist nicht früher öffentlich bekannt gemacht worden, als nachdem man von Seite der geistlichen Behörde eine strenge Untersuchung darüber vorgenommen und sich überzeugt hatte, sie habe alle Kennzeichen an sich, durch die man ächte Offenbarungen von falschen unterscheidet. - So haben wir denn die Geschichte des Märtyrertodes der heiligen Filomena nicht aus alten Urkunden, sondern aus Offenbarungen, die sie selbst drei Personen gemacht hat, die einander nicht kannten, nie in Verbindung mit einander fanden, und sich in Gegenden befanden, die von einander sehr weit entlegen sind.
Titel: Die heilige Filomena, Jungfrau und Märtyrerin - die Wunderthäterin des neunzehnten Jahrhunderts